Benedict Wells: Wahrheit, Lügen und ein bisschen Star Wars

Köln (APA/dpa) - Zehn Geschichten - mal mysteriös, mal märchenhaft, mal berührend. In seinem neuen Band „Die Wahrheit über das Lügen“ lässt ...

Köln (APA/dpa) - Zehn Geschichten - mal mysteriös, mal märchenhaft, mal berührend. In seinem neuen Band „Die Wahrheit über das Lügen“ lässt Benedict Wells sogar Darth Vader und Meister Yoda auftreten.

Es hat etwas verstörendes: Ein erfolgsverwöhnter Firmenchef bricht nachmittags allein zum Wandern auf, nur ein paar Stunden in den Bergen. Als er wenig später heimkommt, sind Jahre vergangen. Die Hand seiner jungen Frau ist plötzlich faltig, die kleine Tochter längst aus dem Haus, der kränkelnde Sohn gestorben. „Die Wanderung“ ist eine von zehn Geschichten, die Bestsellerautor Benedict Wells in seinem neuen Band „Die Wahrheit über das Lügen“ erzählt. Darin enthalten ist auch die „vielleicht beste Idee, die ich bisher hatte“, sagt der 34-Jährige.

Das Buch sei eine „Picknickbox“ oder ein „Mixtape“ mit ganz unterschiedlichen Songs, schildert der Schriftsteller im Blog-Interview mit dem Diogenes-Verlag. Schon mit 19 Jahren hat Wells seinen ersten Roman („Spinner“) geschrieben, sein zweiter - „Becks letzter Sommer“ - wurde verfilmt. Und „Vom Ende der Einsamkeit“ (2016) ist in 30 Sprachen übersetzt worden, hat ihm den Literaturpreis der Europäischen Union eingebracht.

Sein nächster Roman soll in einem Kaff in Missouri spielen und sich um Freundschaft, Liebe, Tod und ums Erwachsenwerden drehen. Die zehn Geschichten seien für ihn eine Spielwiese zwischendurch gewesen, zitiert der Verlag den jungen Autor. Spielwiese? In „Ping Pong“ spielen zwei Männer monatelang Tischtennis - erst locker, dann verbissen, dann im Wahn, dann um ihr Leben. Eingesperrt in einem kahlen Raum, nur ein WC, die Platte, ein Ball. Die Story endet überraschend.

Mitunter geht es märchenhaft zu. Wenn eine junge Autorin endlich von der Muse geküsst wird - nein, einem Muse. Denn er ist männlich, blauhaarig und schwer verliebt in die unglückliche Margo mit der quälend langen Schreibblockade. Sein Kuss lässt sie wieder kreativ werden - doch jede Zeile haucht ihm Lebenskraft aus. Es gibt kein Happy End.

Bewegend ist die Erzählung aus einem Grundschulheim - über Jungs, die schnell zu einer „verschworenen Gemeinschaft“ werden. Die sich trösten, alles teilen, sich gemeinsam einsam fühlen, mal prügeln, wieder versöhnen - und alle ihr Schicksal tragen. Manche sind von blauen Flecken übersät, manche unfassbar arm - und alle stecken voller „fantastischer Lügen“ über ihr Zuhause mit einem Millionär als Vater und natürlich einer Villa fürs Wochenende. Auch Wells hatte seine gesamte Schulzeit in Internaten verbracht, eine vertraute Welt.

Ganz verrückt dagegen wird es in „Das Francise“. Mit einer Zeitreise. Der erfolglose Drehbuchschreiber Adrian wird in die Vergangenheit katapultiert, landet im Jahr 1974 - und hat vier Jahre Zeit, dem Regisseur George Lucas die Idee zu „Star Wars“ zu klauen. Was er auch tut, was ihm Welterfolg und Reichtum bringt. In der amüsanten Story treten Harrison Ford, Steven Spielberg oder Francis Ford Coppola auf, und Darth Vader und Meister Yoda sind mit von der Partie. Eine Geschichte, die - sollte sie ins Englische übersetzt werden - manche Größe im US-amerikanischen Filmgeschäft zum Schmunzeln bringen könnte.

( S E R V I C E - Benedict Wells: „Die Wahrheit über das Lügen“, Diogenes Verlag, Zürich, 256 Seiten, 22,70 Euro)