USA

„Erratisch“: Woodward zeichnet düsteres Bild von Trump

Woodward zeichnet in seinem Buch ein erschreckendes Bild über die Trump-Präsidentschaft. Demnach sei Trump sprunghaft, in seinem Verhalten erratisch - und seine eigenen Mitarbeiter würden dessen Willen unterlaufen.
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In seinem neuen Enthüllungsbuch beschreibt der US-Star-Journalist Bob Woodward, wie sich der US-Präsident im Weißen Haus verhält. Und wie der Stab versucht, die Impulse des Präsidenten abzuwehren. Dieser wiederum versucht, das Buch insgesamt zu diskreditieren und bezeichnet es im Gesamten als „unwahr“.

Von Matthias Sauermann

Washington – Viel wurde bereits geschrieben über Donald Trump, das Weiße Haus und die Wirren, in denen sich die Präsidentschaft befindet. Für Aufsehen sorgte vor allem Michael Wolff mit Fire and Fury: Inside the Trump White House oder auch Unhinged der ehemaligen Kommunikationsdirektorin von Trump Omarosa Manigault-Newman.

Journalist Bob Woodward vor einem Treffen mit Donald Trump in New York, Januar 2017.
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Nun brachte jedoch erstmals eine Koryphäe des Investigativjournalismus Insiderwissen, Geschehnisse und Erzählungen rund um Trump zu Papier. Am Dienstag erschien Fear: Trump in the White House von Bob Woodward. Der 75-Jährige war gemeinsam mit seinem Kollegen Carl Bernstein vor Jahrzehnten dafür verantwortlich, die Watergate-Affäre aufzudecken, die schlussendlich Präsident Nixon stürzte. Woodward hat den Ruf, akribisch zu arbeiten und Quellen zu prüfen. Das Interesse an seinem neuem Buch ist so groß, dass es außerhalb der USA zu Lieferengpässen zu kommen scheint.

In Fear beschreibt Woodward, wie sich die Kampagne von Donald Trump entwickelte – von dem Moment an, als Trump 2010 erstmals erwog, sich für das Amt zu bewerben, bis zum Wahlsieg 2016. Aber auch darüber, wie sich die US-Regierung unter Trump präsentiert – vor allem aber, was hinter verschlossenen Türen im Weißen Haus passiert. Das Werk ist das Resultat von zahlreichen Interviews über viele Monate hinweg. Daraus trug der 75-Jährige unzählige Anekdoten zusammen, die ein umfassendes Bild davon geben, wovon Außenstehende normalerweise keinen Einblick haben. Und die Essenz ist erschreckend: Rund um Trump scheint Chaos zu herrschen.

„Erratisch“: Trump versetzt Weißes Haus in Unruhe

Woodward beginnt damit, ein Treffen im Jahr 2010 zwischen Trump, seiner späteren rechten Hand Steve Bannon und David Bossie, dem späteren Vizechef der Kampagne, zu beschreiben. Damals hatte Trump erstmals erwogen, sich für das Präsidentenamt zu bewerben. Bannon habe demnach sofort gemerkt, dass Trump das Verständnis für einfachste politische Prozesse fehlte.

Der rechte Herausgeber und Stratege Steve Bannon übernahm im August 2016 die Verantwortung über die Kampagne von Donald Trump. Später wurde er Chefstratege im Weißen Haus - bis zum August des vergangenen Jahres.
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Zudem habe Trump auch bei diesem Treffen unter sechs Augen bereits nachprüfbare Fakten bestritten. So beharrte er beispielsweise darauf, jedes Mal gewählt zu haben. Bis er auf mehrmalige Nachfrage darauf hingewiesen wurde, dass das nachprüfbar falsch sei und er erst ein einziges Mal an den republikanischen Vorwahlen teilgenommen habe. Dennoch sei Bannon von Trumps Präsenz beeindruckt gewesen, schreibt Woodward. Schlussendlich habe er es jedoch für ausgeschlossen gehalten, dass Trump tatsächlich kandidieren werde.

Bannon lag falsch. Im Jänner 2017 wurde Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt. Seitdem, so beschreibt es zumindest Woodward bzw. dessen Quellen, befindet sich das Weiße Haus in einem ständigen Tanz am Rande des Abgrundes. Immer wieder falle Trump mit völlig irrationalen Ideen und Entscheidungen auf. Berater würden sich schwer tun, den Präsidenten von Fakten und Hintergründen zu überzeugen. „Trump war sprunghaft, nahezu nie beständig, erratisch“, beschreibt Woodward. Es ging für die Berater des Präsidenten schlussendlich darum, die Welt und Trump selbst vor seinen schlimmsten Impulsen zu bewahren.

Trump erwog Austritt aus Handelspakt mit Südkorea

Ein Beispiel dafür sei eine Posse rund um den von Trump beabsichtigten Rückzug der USA aus dem Handelsabkommen mit Südkorea. Trump habe sich daran gestoßen, dass die USA mehr aus Korea importieren als exportieren würden – deshalb wollte er den Pakt kündigen. Berater und Stabsmitglieder bemühten sich tunlichst, ihren Chef davon abzuhalten – immerhin handelt es sich darum um eines der für die USA wichtigsten Handelsabkommen überhaupt.

Als Beleg dafür dient Woodward auch das Thema Sicherheit. So würde an dem Handelsabkommen auch die Fähigkeit der USA hängen, von Nordkorea aus abgeschossene Raketen früh genug erkennen zu können, um sie noch vor US-Boden abfangen zu können. Mit den Kapazitäten des US-Militärs in Südkorea kann demnach eine Rakete bereits nach sieben Sekunden erkannt werden – und in den 38 Minuten Flugzeit bis auf US-Boden hätte das Militär genug Zeit, um zu handeln. Raketenerkennungssysteme von Alaska aus würden 15 Minuten benötigen, um die Rakete zu scannen – eine entscheidende Differenz.

US-Präsident Donald Trump an Bord der "Air Force One".
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Woodward zufolge ignorierte Trump Argumente wie diese, selbst Überzeugungsversuche von Verteidigungsminister James Mattis überzeugten den Präsidenten nicht vollends. Stattdessen war der Präsident obsessiv mit dem Handelsbilanzdefizit der USA mit Südkorea beschäftigt. Schließlich ließ er sich den Entwurf eines Briefes auf den Tisch legen, in dem er gegenüber dem südkoreanischen Staatschef den Austritt der USA bekannt geben wollte.

Berater stahl Brief vom Tisch des Präsidenten

Was dann geschah, wird wohl in die Geschichte eingehen und noch oft erzählt werden. Gary Cohn, der Chefberater Trumps in Wirtschaftsfragen, entdeckte den Brief am Tisch des Präsidenten. Entsetzt über den Inhalt ließ er den Entwurf in einem Stapel von Dokumenten verschwinden. „Ich habe den Brief gestohlen. Ich muss das Land schützen“, habe Cohn später einem Vertrauten gesagt. Trump vergaß anschließend, dass ihn der Entwurf des Briefes erreichen sollte. Diese Szene soll zudem kein Einzelfall gewesen sein. Nahezu andauernd würden die Leute um Trump versuchen, ihn einzudämmen, gefährliche Ideen nicht aufkommen zu lassen oder den Präsidenten zu beschwichtigen und zu vertrösten – in der Hoffnung, dass Trump das Thema vergessen oder fallen lassen würde.

Wie signifikant das Ereignis sei, dass der Wille eines demokratisch gewählten Staatsoberhauptes von den eigenen Mitarbeitern unterlaufen wird, ist Woodward durchaus bewusst: „Es war nichts weniger als ein administrativer Staatsstreich, das Unterlaufen des Willens eines Präsidenten der Vereinigten Staaten und dessen von der Verfassung zugesicherten Autorität.“

„Nervenzusammenbruch“ im Weißen Haus

Wie der Star-Journalist es darstellt, hielt die Mannschaft um Trump dieses Verhalten für alternativlos. Trump selbst habe Woodward gegenüber einmal gesagt, die erste Priorität eines Landes müsste dessen Sicherheit sein – und daraus folgend ein starkes Militär. „Die Realität war“, so Woodward, „dass die Vereinigten Staaten 2017 an die Worte und Taten eines emotional überlasteten, launenhaften und unberechenbaren Führers gebunden waren. Mitglieder seines Stabes taten sich zusammen, um bewusst die für sie gefährlichsten Impulse des Präsidenten zu blockieren. Es war ein Nervenzusammenbruch der Exekutivgewalt des mächtigsten Staates der Welt.“

Und Trump? Der zeigt bemüht, die Glaubwürdigkeit des Werks zu entkräften. Das Buch sei ein „Witz“ und die darin angeführten Zitate von Regierungsmitarbeitern erfunden, schrieb Trump am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Im Vorfeld der Erscheinung des Buches verweigerte Trump, Woodward ein Interview zu geben. Später behauptete er, die Anfragen seien nicht an ihn herangetragen worden. Die Washington Post veröffentlichte jedoch einen Mitschnitt eines Telefongespräches der beiden, als das Buch allerdings schon in Druck war.

Viele der in dem Buch zitierten Menschen hätten bereits dementiert, sich derart geäußert zu haben, führte der Präsident ins Feld. Trump bezeichnete die entsprechenden Zitate ebenso wie das gesamte Buch als „Fiktion“. Er kündigte an, dass er selbst das „wirkliche Buch“ über seine Präsidentschaft schreiben werde.