Religiöse Diskriminierung: Arzt womöglich zu Unrecht entlassen

Luxemburg (APA/AFP/dpa) - Fast zehn Jahre nach der Kündigung eines Chefarztes einer katholischen Klinik wegen einer Scheidung und erneuten H...

Luxemburg (APA/AFP/dpa) - Fast zehn Jahre nach der Kündigung eines Chefarztes einer katholischen Klinik wegen einer Scheidung und erneuten Heirat hat der deutsche Mediziner vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Erfolg errungen. Der EuGH entschied am Dienstag in Luxemburg, dass dies eine verbotene Diskriminierung darstellen könne. Über den Fall muss nun erneut das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Der Krankenhausträger kündigte den Chefarzt im Jahr 2009, nachdem es von der erneuten standesamtlichen Heirat des Mediziners im Jahr zuvor erfahren hatte. Weil die erste Ehe nicht kirchlich annulliert wurde, ist die zweite nach Kirchenrecht ungültig. Die Klinik sah darin einen Verstoß gegen seine Loyalitätspflichten. Gegen die Kündigung klagte der Arzt.

Die Luxemburger Richter stellten nun fest, dass die Kündigung eine verbotene Diskriminierung aufgrund der Religion darstellen könne. „Die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, erscheint nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“, erklärte der EuGH.

Der Fall hatte zuvor in Deutschland jahrelang die Gerichte bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt. Im Jahr 2014 hob das Bundesarbeitsgericht die Kündigung zunächst in letzter Instanz auf. Das Verfassungsgericht erklärte dieses Urteil allerdings für unwirksam und begründete dies damit, dass der Sonderrolle der Kirche ein „besonderes Gewicht“ beizumessen sei.

Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall daraufhin im Jahr 2016 dem EuGH vor. Die Arbeitsrichter wollten von dem Gerichtshof in Luxemburg eine Auslegung der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung im Beruf bekommen, die eine Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung verbietet.

Auch der EuGH verwies darauf, dass das deutsche Grundgesetz Kirchen und ihnen zugeordneten Einrichtungen ein Selbstbestimmungsrecht verleihe, um innerhalb bestimmter Grenzen selbstständig zu handeln. Er stellte aber zugleich fest, dass die Akzeptanz des Eheverständnisses der katholischen Kirche keine wesentliche Anforderung an die Tätigkeit des Chefarztes der Klinik zu sein scheine. Dies werde dadurch erhärtet, dass ähnliche Stellen Beschäftigte ausübten, die nicht katholisch seien und deshalb nicht dieselben Loyalitätsanforderungen erfüllen müssten.

Die katholische Kirche hatte im Jahr 2015 die Regeln für kirchliche Arbeitsverhältnisse reformiert. Kündigungen bei Loyalitätsverstößen sind damit zwar weiter möglich, allerdings wurden die Vorgaben gelockert.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, begrüßte die Neuregelungen. Wahrscheinlich würde der Arzt heute seine Stelle nicht verlieren, sagte Sternberg im Südwestrundfunk. Das sei auch „gesellschaftlich kaum noch vermittelbar“. Die Kirche werde sich aber weiter fragen müssen, „wie machen wir unseren dritten Weg so plausibel, dass er auch in einer allgemeinen Öffentlichkeit, nicht nur vor Gericht, verstanden und akzeptiert wird“.

~ WEB http://curia.europa.eu/ ~ APA214 2018-09-11/11:42