Unbequemer Stuhl für Frankreichs künftigen Parlamentspräsidenten

Paris (APA/AFP) - Er gilt als der unbequemste Stuhl der Republik: Der schwere Ledersessel des französischen Parlamentspräsidenten zwingt dem...

Paris (APA/AFP) - Er gilt als der unbequemste Stuhl der Republik: Der schwere Ledersessel des französischen Parlamentspräsidenten zwingt dem Amtsinhaber eine unnatürlich gerade Haltung auf. Wenn Richard Ferrand am Mittwoch als frisch gewählter Parlamentspräsident auf dem gut 220 Jahre alten Empire-Möbel Platz nimmt, könnte der Stuhl ihm noch in ganz anderer Hinsicht unbequem werden.

Denn die Justiz ermittelt gegen den engen Vertrauten von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Immobilienaffäre. Ferrand, 56 Jahre, dunkle Brille zum graumelierten Haar, stets korrekt sitzender Anzug, verdankt seinen steilen politischen Aufstieg Emmanuel Macron. Dank dem Staatschef wird der noch vor zwei Jahren unbekannte Hinterbänkler viertwichtigster Amtsinhaber in Frankreich.

Auch Macron verdankt Ferrand vieles: Letzterer hat als Macron-Anhänger der ersten Stunde ab 2016 dessen Partei En Marche! (In Bewegung) mit aufgebaut, die den erst 39-Jährigen im vergangenen Jahr ins höchste Amt beförderte und bei der Parlamentswahl aus dem Stand die absolute Mehrheit holte.

Ferrand bemüht sich, den Eindruck zu zerstreuen, er sei so etwas wie der Schoßhund Macrons. Er sei nicht der „Liebling“ des Staatschefs, sagte er nach seiner Nominierung durch die Präsidentenpartei, sondern „ein demokratisch gewählter Mann“.

Gerade aber die demokratischen Gewalten könnten zum Problem für den neuen Parlamentspräsidenten werden, und damit auch für Macron. Denn wie ein Damoklesschwert schwebt über beiden die „Affäre Ferrand“.

Gegen den 56-Jährigen laufen richterliche Vorermittlungen wegen eines illegalen Interessenskonflikts. Er soll als früherer Leiter einer bretonischen Versicherung seiner Lebensgefährtin und ihrer Gesellschaft ein Sanierungsprojekt zugeschanzt haben.

Sollte die Justiz ein formelles Ermittlungsverfahren einleiten, müsste Ferrand nach den ungeschriebenen Regeln Macrons zurücktreten. Er selbst sieht dieses Risiko angeblich nicht: „Nichts“ deute darauf hin, dass es zu einem Verfahren komme, sagte Ferrand der Zeitung „Liberation“. Außerdem genieße er als Parlamentarier Immunität.

Das aber dürfte ihn im Fall des Falles nicht schützen. Ein Regierungssprecher betonte unlängst, die Immunität lasse sich bei schweren Verdachtsmomenten aufheben. Macron dürfte angesichts seiner immer weiter sinkenden Umfragewerte und der nahenden Europawahl nicht daran gelegen sein, Ferrand mit Macht in seinem Sessel zu halten.

Aber nicht nur wegen der Immobilienaffäre gibt es in der Präsidentenpartei Kritik an Ferrand. Er sei „nicht gut für den Posten“ des Parlamentspräsidenten, da er mit niemandem rede und „kein guter Manager sei“, klagt eine Abgeordnete, die anonym bleiben will. Abgehoben und unnahbar, so lautet auch das Urteil anderer Parlamentarier.

Offenheit gilt nicht als die Stärke des Mannes, der 37 Jahre lang Mitglied der Sozialistischen Partei war, bevor er sie für Macron verließ. In der weit von Paris entfernten Bretagne arbeitete er ab 1998 in Verwaltungsräten, erst 2012 schaffte er den Sprung in die Pariser Nationalversammlung.

Eine Zufallsbegegnung mit Macron - damals noch Wirtschaftsminister - beschleunigt ab Ende 2014 Ferrands Karriere. Erst wird er Macrons parlamentarischer Berichterstatter für ein umstrittenes Liberalisierungsgesetz, dann Generalsekretär seiner „Bewegung“ En marche! und einer der wichtigsten Fädenzieher im Präsidentschaftswahlkampf.

In das erste Kabinett unter Macron zieht er im Mai 2017 als Minister für Wohnungsbau ein. Schon nach wenigen Wochen holen ihn aber die Enthüllungen über die Immobilienaffäre ein; der Vater von drei Kindern wechselt als Fraktionschef der Präsidentenpartei in die Nationalversammlung - wo er seitdem Immunität genießt.