Ungarn droht Rechtsstaatsverfahren wegen Verletzung von EU-Werten
Straßburg/Budapest (APA/dpa) - Ein EU-Strafverfahren gegen Ungarns rechtsnationale Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban rückt in g...
Straßburg/Budapest (APA/dpa) - Ein EU-Strafverfahren gegen Ungarns rechtsnationale Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban rückt in greifbare Nähe. Es gebe in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der CDU, CSU und auch Orbans Fidesz gehören, Uneinigkeit darüber, ob in Ungarn systematisch EU-Werte verletzt würden, sagte Fraktionschef Manfred Weber (CSU) am Dienstagabend in Straßburg. Die einzelnen Abgeordneten könnten daher am Mittwoch frei abstimmen. Damit könnte die nötige Mehrheit im Europaparlament erreicht werden.
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft hatte sich am Dienstag zurückhaltend zu einem möglichen EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn geäußert. Die Präsidentschaft und der Rat als ganzes würden der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten größte Aufmerksamkeit beimessen, „da kann es keine Kompromisse geben“, sagte die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg.
Am heutigen Mittwoch stimmt das Parlament in Straßburg darüber ab, ob gegen Ungarn - wie schon gegen Polen - das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet wird. Nötig wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das Verfahren könnte im äußersten Fall dazu führen, dass Ungarn Stimmrechte im Ministerrat verliert.
In der EVP-Fraktionssitzung habe sich eine Mehrheit gegen Orban gestellt, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Vor allem Abgeordnete aus Skandinavien sowie aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg hätten sich kritisch geäußert. Unterstützung bekam Orban demnach von einzelnen Abgeordneten aus Kroatien und Italien. Die EVP stellt die größte Fraktion im EU-Parlament, ihr Abstimmungsverhalten ist daher maßgeblich.
Dem Antrag auf ein Rechtsstaatsverfahren liegt ein Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini zugrunde, in dem eine „systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn“ festgestellt wird. Der Bericht verweist unter anderem auf Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Darüber hinaus gebe es Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen..
Große Bedenken gebe es vor allem wegen der Einschränkung der Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) sowie der akademischen Freiheit, sagte Weber weiter. Er selbst werde für die Einleitung des Strafverfahrens stimmen. Er habe auf ungarischer Seite nicht die Bereitschaft erkannt, zu Lösungen beizutragen.
Ungarns Regierung wies die Vorwürfe scharf zurück. Das Land werde seine Rechte verteidigen, sagte Orban am Dienstag im EU-Parlament. Auch gegenüber seinen Fraktionskollegen habe er keinerlei Einlenken signalisiert, hieß es aus Kreisen. Ein möglicher Fidesz-Ausschluss aus der EVP-Fraktion sei dennoch aber erst einmal vom Tisch.
Sollte ein Verfahren nach Artikel 7 eingeleitet werden, liegt die letztendliche Entscheidung über Strafmaßnahmen bei den EU-Staaten. Die EU-Kommission hatte ein solches Verfahren im Dezember bereits gegen Polen eingeleitet.