Keine Zugeständnisse des ungarischen Premiers Orban in Straßburg

Budapest/Straßburg (APA) - Der Auftritt des ungarischen rechtskonservativen Premiers Viktor Orban am Dienstag im Europaparlament in Straßbur...

Budapest/Straßburg (APA) - Der Auftritt des ungarischen rechtskonservativen Premiers Viktor Orban am Dienstag im Europaparlament in Straßburg war keinesfalls von Einsicht oder Zugeständnissen geprägt, etwa in Form der Rücknahme repressiver Gesetze gegen Universitäten und Zivilorganisationen. Mehrheitskritik wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit in Ungarn schüttelte Orban ab und setzte seinerseits zum Gegenschlag an.

Das Parlament wolle sein Land und sein Volk abstempeln, dabei habe Ungarn „mit seinem Blut zur großartigen Geschichte Europas beigetragen“. Sein Land habe schwere Blutopfer für Freiheit und Demokratie gegen die Sowjets erbracht und die Grenzen für Ostdeutsche geöffnet.

All das schien die Europaabgeordneten, bis jene aus dem rechten Eck, nicht besonders zu beeindrucken. Orbans Ungarn stehe für „das korrupteste System“, das es derzeit in der Europäischen Union gebe, sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Udo Bullmann.

Orban äußerte sich am Dienstagnachmittag im Straßburger Parlament zu einem Antrag, der darauf abzielt, gegen Ungarn ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge einzuleiten. Dem Antrag zugrunde liegt ein Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini. Dieser stellt eine Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn fest. Dabei ginge es um systematischen Druck auf Justiz, Medien, Wissenschaft, Zivilorganisationen und den Vorwurf schwerer Korruption.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist Ungarn seit dem Amtsantritt Orbans 2010 um fast 50 Plätze auf Rang 71 gefallen, parallel zur erdrückenden Übermacht Fidesz-naher Medien. Die ungarische Regierung habe unabhängige Medien zum Schweigen gebracht, akademische Institutionen an die Kandare genommen und unabhängige Richter ersetzt durch regierungsnahe Juristen. Orban würde einen nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Kurs fahren, lautete die Kritik.

Bisher konnte Orban mit seiner illiberalen Demokratie ungestört aus der Reihe tanzen, wurde von der Europäischen Volkspartei (EVP), deren Mitglied seine Fidesz-Partei ist, zumindest öffentlich verschont. Dabei gelten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als die Fundamente der Europäischen Union, gegen die Orban ständig mit „Stoppt Brüssel“ wettert. Wegen seiner restriktiven Asylpolitik, der Beschneidung demokratischer Rechte und vermeintlichem Missbrauch von EU-Geldern scheint Orban laut Kritikern eine rote Linie überschritten zu haben.

Laut Orban enthalte der Sargentini-Bericht „Lügen“ und „verletzt die Ehre Ungarns und des ungarischen Volkes“. Die EU agiere besserwisserisch, messe mit zweierlei Maß, das Verfahren widerspreche den Verträgen. Orban sagte kämpferisch, Ungarn werde seine Grenzen weiter verteidigen, „wenn es sein muss, auch Ihnen gegenüber“. Dabei kritisierte er seine eigene EVP-Fraktion. Diese habe „ihren Charakter und ihren eigenen Willen verloren“. Sie würde praktisch „nach der Pfeife der Liberalen und Sozialisten tanzen“, behauptete Orban.

In der kurzen Orban-Rede vor dem Europaparlament durfte die Migrationspolitik der EU nicht fehlen. Ungarn solle bestraft werden, weil es keine Migranten wolle, schimpfte Orban ohne Kompromissbereitschaft. Dabei ging der Premier keinesfalls auf vorgebrachte Vorwürfe hinsichtlich der Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in seinem Lande ein.

Am Mittwoch um 12.00 Uhr will das Europaparlament über die Einleitung des Artikel-7-Verfahrens abstimmen. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im äußersten Fall kann das Verfahren zum Entzug von Stimmrechten im EU-Ministerrat führen. Entscheidend wird das Stimmverhalten der EVP sein, die die stärkste Fraktion stellt.