Pressestimmen zur Debatte um mögliches EU-Strafverfahren gegen Ungarn
London/Turin (APA/dpa) - Europäische Tageszeitungen kommentieren am Mittwoch die Auseinandersetzungen innerhalb der EU um ein mögliches Rech...
London/Turin (APA/dpa) - Europäische Tageszeitungen kommentieren am Mittwoch die Auseinandersetzungen innerhalb der EU um ein mögliches Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn:
„Financial Times“ (London):
„Die EU braucht bessere Werkzeuge für den Umgang mit eigensinnigen Mitgliedstaaten, zum Beispiel die Möglichkeit, Mittel für die regionale Entwicklung zurückzuhalten, die Ungarn in hohen Summen verschlingt. Unterdessen haben europäische Politiker die Pflicht, die demokratischen Grundwerte zu verteidigen, auf denen die Europäische Union beruht. Das gilt vor allem für die Europäische Volkspartei (EVP), deren christdemokratische Vorväter mehr als alle anderen getan haben, um die EU aus der Asche des giftigen Nationalismus zu erschaffen. (...) Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mag seine eigenen Motive haben. Aber er hat Recht, wenn er sagt, dass die EVP nicht Angela Merkel und zugleich Viktor Orban unterstützen kann, dessen politische Ansichten im Gegensatz zu jenen der deutschen Bundeskanzlerin stehen.“
„Hospodarske noviny“ (Prag):
„Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sorgt mit seiner Politik einer illiberalen Demokratie seit einiger Zeit für Sorge bei einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten. Indem er die öffentlich-rechtlichen Medien der Regierung unterstellt, die Opposition und unabhängige Medien einschränkt und die Unterstützung von Asylbewerbern zur Straftat macht, bringt er seine Kollegen in der Europäischen Volkspartei in Erklärungsnot. (...)
Unter den EU-Abgeordneten verbreitet sich die Ansicht, dass die Zeit des Taktierens vorbei ist. Doch das mag sich auch Orban denken, der noch eine andere Karte ausspielen könnte: Bei den Wahlen zum EU-Parlament im nächsten Jahr könnte er sich mit Parteien wie der aufstrebenden Lega des italienischen Vize-Regierungschefs Matteo Salvini verbünden.“
„La Stampa“ (Turin):
„Die Front derjenigen, die Viktor Orban eine Lektion erteilen wollen, hat sich beträchtlich verstärkt. Selbst Manfred Weber - Fraktionschef der Europäischen Volkspartei und Kandidat für die Präsidentschaft der Kommission (...) - hat sich entschieden, dass es notwendig ist, ein Zeichen zu setzen. ‚Ich werde dafür (für die Einleitung des Strafverfahrens) stimmen‘, sagte er gestern am Ende eines Treffens der Fraktion und ließ den Boden unter den Füßen des Chefs der Fidesz-Partei erzittern. Und das war die wirkliche Neuigkeit.“
„De Standaard“ (Brüssel):
„Nötig ist ein kräftiges Signal zur Verteidigung der Grundsätze, auf denen die Europäische Union aufgebaut wurde. Außer in Ungarn gibt es in dieser Hinsicht auch in Polen, Rumänien und der Slowakei beunruhigende Entwicklungen. Aber die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens nach Artikel 7 der EU-Verträge ist kein Zaubermittel. Wenn in grundlegenden Fragen keine Einmütigkeit besteht, lässt sie sich auch durch Mehrheitsbeschlüsse nicht erzwingen. Europa ist eine Wertegemeinschaft, auf der seine Daseinsberechtigung und seine Stärke beruht. Ohne gemeinsame grundlegende Überzeugungen und demokratische Institutionen wäre es lediglich eine Freihandelszone, die rasch wieder in ein instabiles System von sich gegenseitig misstrauenden Ländern zurückfallen kann.“
~ WEB http://www.europarl.europa.eu/portal/de ~ APA140 2018-09-12/10:31