10 Jahre Lehman-Pleite - Von Lehman über Euro-Rettung bis heute

Frankfurt (APA/Reuters/dpa) - Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers gilt als Höhepunkt der Finanzkrise und jährt sich am 1...

Frankfurt (APA/Reuters/dpa) - Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers gilt als Höhepunkt der Finanzkrise und jährt sich am 15. September zum zehnten Mal. Er hatte 2008 ein Beben in der Finanzwirtschaft ausgelöst, dessen Wellen sich mit rasender Geschwindigkeit rund um den Globus innerhalb der Branche ausbreiteten und zu einem weltweiten Konjunktureinbruch fast beispiellosen Ausmaßes führten.

Staatsfinanzen zahlreicher Länder gerieten in Turbulenzen, der Euro und die Europäische Währungsunion erlebten in der Folge in eine tiefgreifende Vertrauenskrise.

Es folgt eine Chronologie wichtiger Ereignisse in den vergangenen zehn Jahren:

15. September 2008:

Die US-Investmentbank Lehman Brothers muss Insolvenzantrag stellen. Es kommt zu heftigen Turbulenzen an den Börsen, das Misstrauen steigt und breitet sich rasant über den Globus aus. Der Welthandel bricht ein, und in vielen Ländern stürzt die Wirtschaft in eine tiefe Rezession.

17. September 2008:

Die US-Regierung muss den weltgrößten Versicherer AIG mit Staatshilfen über 85 Milliarden Dollar vor der Pleite bewahren.

5. Oktober 2008:

Die deutsche und die österreichische Regierung verkünden eine Komplettgarantie für private Einlagen. Vorausgegangen war ein starker Anstieg der Abhebungen von 500-Euro-Scheinen in Deutschland - ein deutliches Zeichen des Vertrauensverlustes in das Finanzsystem.

8. Oktober 2008:

Die wichtigsten Notenbanken der Welt, darunter die Europäische Zentralbank (EZB) und die Federal Reserve, senken in einer konzertierten Aktion ihre Leitzinsen - ein historischer und noch nie da gewesener Schritt.

13. Oktober: Die deutsche Regierung stellt ein Banken-Rettungspaket im Volumen von 500 Mrd. Euro vor. Frankreich präsentiert einen 360 Mrd. Euro schweren Hilfsplan. Viele EU-Länder schnüren ebenfalls Notpakete. Das Österreich-Paket über rund 100 Mrd. Euro erhält am 9. Dezember grünes Licht aus Brüssel.

17. Oktober: In Österreich ist die Constantia Privatbank das erste Banken-Opfer der Finanzkrise. Das kleine Finanzinstitut wird buchstäblich über Nacht gerettet. Die Bank wird von Großbanken und Notenbank aufgefangen.

26. Oktober: In Wien muss die Kommunalkredit unter der Last teurer Wertberichtigungen unmittelbar Schutz durch den Staat suchen. Nach mehrtägigen Krisenverhandlungen steht der Beschluss zur Verstaatlichung.

14./15. November 2008:

Als Reaktion auf die rasch um sich greifende Finanzkrise trifft sich erstmals die G-20-Gruppe aus Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Washington. Verabschiedet wird ein umfangreiches Aufgabenpaket, mit dem man einen Absturz der Weltwirtschaft verhindern und das globale Finanzsystem stabilisieren will. Die G-20 gilt fortan als das zentrale Koordinationsforum der weltweiten Wirtschafts- und Finanzpolitik.

8. Jänner 2009:

Die Commerzbank rettet sich schwer angeschlagen in die Hände des Staates, der 25 Prozent plus eine Aktie an der damals zweitgrößten deutschen Bank übernimmt. Der Bund ist bis heute an der Commerzbank beteiligt.

10. Mai 2010:

Als wegen der Schuldenkrise in Griechenland und anderen Euro-Ländern die Refinanzierungskosten für Frankreich kräftig steigen, ist die Krise endgültig im Zentrum der Währungsunion angekommen. Um die Lage zu stabilisieren, beginnt die EZB erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen einzelner Länder - ein vor allem in Deutschland als verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenbank heftig kritisierter Schritt.

8. August 2011:

Die EZB startet den Aufkauf von Staatsanleihen Italiens und Spaniens. Beide Länder waren an den Finanzmärkten ins Visier von Spekulanten geraten.

9. September 2011:

Der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark tritt aus Protest gegen die Geldpolitik der Notenbank zurück - der Euro stürzt darauf am Devisenmarkt ab.

26. Juli 2012:

Nach einer kurzen Beruhigungsphase nehmen die Turbulenzen an den Märkten im Frühsommer 2012 wieder zu. Der neue EZB-Präsident Mario Draghi erklärt in London in einer mittlerweile berühmt gewordenen Rede, die Zentralbank werde „alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten“. Dieses Versprechen gilt bis heute vielen Experten als Wendepunkt der Krise. Seitdem haben die Schwankungen an den Finanzmärkten deutlich abgenommen und viele Länder können sich wieder günstiger verschulden.

6. September 2012:

Der EZB-Rat beschließt gegen den Widerstand der Bundesbank neue umfangreiche Staatsanleihekäufe, mit denen die Zukunft des Euro in der Schuldenkrise abgesichert werden sollen. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof gehen das sogenannte OMT-Programm bleiben erfolglos. Tatsächlich bleibt der Praxistest aus: OMT wurde von der EZB bis heute nicht eingesetzt, und sie hat keine Staatsanleihe über dieses Programm erworben.

5. Juni 2014:

Die EZB beschließt Strafzinsen für Banken, die bei ihr Geld parken, statt es als Kredit an Unternehmen und Haushalte weiterzugeben. Der Strafzins gilt bis heute - die Kreditvergabe der Institute hat zugenommen.

4. November 2014:

Die EZB übernimmt die direkte Aufsicht über die damals 125 größten Banken in der Eurozone von den nationalen Behörden. Diese bleiben für die Kontrolle der kleineren Banken in ihren Ländern verantwortlich. Vorher hatte die EZB die großen Banken in einem beispiellosen Test erstmals auf Herz und Nieren geprüft, um Altlasten in den Bilanzen aufzuspüren und Probleme aufzudecken.

1. Jänner 2015:

Mit dem neuen Jahr nimmt eine neue EU-Behörde für die Sanierung und geordnete Abwicklung von maroden Banken ihre Arbeit auf: der Single Resolution Mechanism (einheitlicher Abwicklungsmechanismus/SRM).

22. Jänner 2015:

Um die schwache Teuerung und damit indirekt die schwache Konjunktur in der Währungsunion anzuheizen, beschließt die EZB den Aufkauf von Staatsanleihen für monatlich 60 Milliarden Euro. Das Programm wurde danach noch mehrmals verändert.

20. Juli 2015:

Nach drei Wochen Schließung öffnen die griechischen Banken wieder. Zuvor war es wegen der drohenden Pleite des überschuldeten Landes zu massenhaften Abhebungen an den Geldautomaten und Kapitalverkehrskontrollen gekommen.

16. Dezember 2015:

Die US-Notenbank Fed wagt nach Jahren der Minizinsen die Wende und erhöht erstmals wieder ihre Leitzinsen. Sie hebt ihren Schlüsselsatz um 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent an. Seitdem fährt sie einen Kurs der behutsamen Zinserhöhungen. Aktuell liegt der Schlüsselsatz in der Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent.

29. Juni 2017:

Die größten Banken der USA bestehen erstmals seit der Krise alle einen Stresstest der Zentralbank - damit scheint die Krise nach zehn Jahren wenigstens in den USA überstanden zu sein.

14. Juni 2018:

Die EZB stellt das Ende ihrer jahrelangen Krisenpolitik in Aussicht. Sie kündigt an, ihre Anleihenkäufe bis Ende 2018 einzustellen, sollte die Wirtschaft weiter mitspielen. Dann werden sie ein Gesamtvolumen von 2,6 Billionen Euro erreicht haben. Zudem erklärt sie, dass ihre Zinsen noch bis mindestens „über den Sommer“ 2019 nicht angetastet werden. Der Leitsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

28. Juni 2018:

Die Deutsche Bank ist noch nicht über den Berg. Beim zweiten Teil des US-Stresstests der großen Geldhäuser fällt sie als einziges Institut durch. Die erste Runde der Belastungsprobe hatte die Bank noch bestanden.

20. August 2018:

Das dritte Rettungspaket für Griechenland läuft aus. Künftig will sich die Regierung in Athen wieder auf eigenen Beinen stehen und sich selbstständig Geld am Finanzmarkt leihen. Insgesamt hat der schuldengeplagte Ägäis-Staat laut dem Euro-Rettungsschirm ESM 288,7 Milliarden Euro an Krediten erhalten.