SPD fordert Entlassung des Verfassungsschutz-Chefs - Krisentreffen

Berlin (APA/dpa) - Im Streit um den Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen, hat sich die deutsche Regierungskoalition i...

Berlin (APA/dpa) - Im Streit um den Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen, hat sich die deutsche Regierungskoalition in eine neue Krise bugsiert. Die Sozialdemokraten haben am Donnerstag die Entlassung Maaßens gefordert, der wegen Aussagen zu rechtsextremen Vorfällen in Chemnitz unter Beschuss geraten ist. Für 15.30 Uhr wurde daraufhin ein Krisentreffen der Parteichefs im Kanzleramt angesetzt.

Die SPD reagierte mit ihrer Forderung darauf, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) dem obersten Verfassungsschützer das Vertrauen ausgesprochen hatte. „Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Berlin. Auslöser waren Maaßens Aussagen im Zusammenhang mit ausländerfeindlichen Übergriffen in Chemnitz.

„Jeder, der Verantwortung hat in den großen Sicherheitsorganen, muss über jeden Zweifel erhaben sein“, betonte Vizekanzler Olaf Scholz. Damit droht direkt nach Ende der Sommerpause die nächste Zerreißprobe für die erst ein halbes Jahr amtierende Große Koalition. Für Seehofer wäre eine Ablösung Maaßens nach seiner klaren Positionierung ein großer Gesichtsverlust.

Praktisch von Anfang an hatte es die Koalition schwer, Tritt zu fassen - der Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland und anti-demokratische Tendenzen verunsichern alle drei Parteien.

SPD-Chefin Nahles sagte kurzfristig einen Presseauftritt beim SPD-Wirtschaftsforum am Mittag ab. Sie hatte am Montag von Maaßen klare Belege für seine Aussagen eingefordert: „Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar.“

Maaßen hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ darüber vor, dass in Chemnitz Hetzjagden stattgefunden hätten. Zu einem Video, das angeblich Jagdszenen auf Ausländer zeigen soll, sagte Maaßen: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Es sprächen „gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.

Nach Angaben von Teilnehmern einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses gab er dort am Mittwoch zu verstehen, dass er sich falsch verstanden fühle, die eine oder andere Wendung „heute anders formulieren“ und „vielleicht auch weglassen“ würde. An seiner Kritik an den Medien habe er jedoch festgehalten. Man solle „Hetzjagden nicht herbeischreiben“.

Seehofer sprach Maaßen danach sein Vertrauen aus. Maaßen ließ am Donnerstag neue Vorhaltungen zurückweisen, er habe unrechtmäßig Informationen oder Unterlagen an einen AfD-Bundestagsabgeordneten weitergegeben. „Das ist selbstverständlich nicht der Fall“, teilte ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz mit. Inhalt der auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministeriums geführten Gespräche mit Abgeordneten aller Bundestagsparteien sei regelmäßig die Information über die aktuelle Sicherheitslage etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus. Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte berichtet, Maaßen habe dem AfD-Politiker Stephan Brandner Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 vor der Veröffentlichung weitergegeben.

In der SPD wird aber massiv angezweifelt, ob er noch der richtige Mann an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes ist, gerade in Zeiten, wo es enorme Herausforderungen für die Demokratie und einen erstarkenden Rechtsextremismus gibt. Zudem wächst in der Partei der Druck, ein klares Profil gegenüber dem Koalitionspartner Union zu zeigen.

Im Juni hatte bereits die CSU die Koalitionsregierung in Berlin fast zum Zerbrechen gebracht. Damals drehte sich der Streit um eine rasche Abschiebung von Flüchtlingen, die bereits in anderen EU-Staaten einen Asylantrag gestellt haben.