Tiefschwarzes Bayern könnte bunt wie kein anderes Bundesland werden
München (APA/AFP) - Als politisch tiefschwarz gilt Bayern, doch in einem Monat könnte es so bunt werden wie noch nie: Die jüngste Wahlumfrag...
München (APA/AFP) - Als politisch tiefschwarz gilt Bayern, doch in einem Monat könnte es so bunt werden wie noch nie: Die jüngste Wahlumfrage des Bayerischen Rundfunks prognostiziert sieben Fraktionen für den am 14. Oktober zu wählenden Landtag, so viele wie nirgendwo in Deutschland. Auf einem Parteitag in München will die CSU am Samstag aus der Defensive kommen.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will die Umfrage als „Weckruf“ für seine Partei verstanden wissen. Allerdings stellt sich die Frage, ob bei den Christsozialen tatsächlich jemand schläft. Vor allem der Regierungschef ist omnipräsent.
Am Montag Sitzung im CSU-Vorstand, am Dienstag zum Schuljahresbeginn das Verteilen von Sicherheitswesten an Erstklässler, am Mittwoch ein Auftritt vor 5000 MAN-Mitarbeitern, dazu an den Abenden Bierzeltreden und zwischendurch Wahlgeschenke bis hin zu einer Patenschaft für die Hündin Leila aus einem Tierheim.
Für jeden ist bei Söder etwas dabei - und dennoch schwindet die Zustimmung zu ihm und zur CSU in einer beispiellosen Weise. Vor einem Jahr lag die CSU noch bei 45 Prozent Zustimmung, jetzt sind es zehn Punkte weniger. Söder halten nur noch 42 Prozent für einen guten Ministerpräsidenten - im Mai waren dies noch 56 Prozent.
Und dennoch: Dass es an Söder liegt, sagt in der CSU niemand. Derzeit noch hinter vorgehaltener Hand wird vor allem CSU-Chef Horst Seehofer als Auslöser der Misere benannt. Was ihm dabei vorgeworfen wird, ist die Zuspitzung des Flüchtlingsstreits mit der Schwesterpartei CDU vor der Sommerpause.
Die schnell wieder zurückgenommene Rücktrittsankündigung Seehofers im CSU-Vorstand Anfang Juli gilt als Wendepunkt. Bis dahin lag die CSU stabil bei 40 Prozent und mehr. Doch seit dem Chaos geht es bergab bis auf die in dieser Woche in drei Umfragen prognostizierten 35 bis 36 Prozent.
In einer Wahlkampfsendung im Bayerischen Fernsehen zeigte sich, dass der Vertrauensverlust die CSU inzwischen Zutrauen in vielen Themenfeldern kostete. Ob die AfD in der Flüchtlingspolitik, die FDP in der Wirtschaftspolitik, die Linke bei der sozialen Gerechtigkeit oder die Freien Wähler beim Thema Wohnraum - während die CSU hier Kompetenzpunkte verliert, gewinnen die anderen Parteien.
Die in allen Umfragen als zweitstärkste Partei gehandelten bayerischen Grünen haben inzwischen über die Umweltpolitik hinaus in mehreren Politikfeldern nennenswerte Kompetenzwerte - und selbst die mit elf Prozent desaströs dastehende SPD wird zumindest beim Thema bezahlbarer Wohnraum besser als die CSU angesehen.
Rechnerisch könnten die Grünen inzwischen sogar gegen eine Opposition aus CSU und AfD eine Regierung schmieden - allerdings lehnte der Fraktionschef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, solch ein buntes Bündnis bereits ab. Damit ist praktisch sicher, dass die CSU weiter den Ministerpräsidenten stellen wird. Aber zunehmend wahrscheinlich erscheint, dass sie schwierige Koalitionsverhandlungen vor sich hat. Derzeit buhlen vor allem die Freien Wähler intensiv um eine Koalition.
Von ihrem eintägigen Parteitag am Samstag in München will die CSU ein Signal der Kampfeslust aussenden. Sowohl Seehofer als auch Söder werden reden. Es ist einer der seltenen gemeinsamen Auftritte der beiden, die nach dem Machtkampf um das Ministerpräsidentenamt Ende vergangenen Jahres mühsam Frieden schlossen.
Manche sehen auch in dem Binnenverhältnis von Parteichef und Ministerpräsident einen Grund für die Schwierigkeiten der CSU. Dazu kommt das nicht mehr zu kittende Verhältnis der Christsozialen zu CDU-Chefin Angela Merkel, die erneut nicht zum CSU-Parteitag kommen wird. Angesichts dieser Fülle an Problemen setzen die Christsozialen mittlerweile allein darauf, dass etwa die Hälfte der bayerischen Wähler noch unentschlossen ist.