Wahlrecht: Alle Klubs reformwillig

Wien (APA) - Einer umfassenden Reform des Wahlrechts dürfte eigentlich nichts im Weg stehen: Bei einer von Nationalratspräsidenten Wolfgang ...

Wien (APA) - Einer umfassenden Reform des Wahlrechts dürfte eigentlich nichts im Weg stehen: Bei einer von Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) initiierten Vortragsveranstaltung Donnerstagabend zeigten sich die Verfassungssprecher aller Klubs willig, die Sache rasch anzugehen. Natürlich spießte es sich im Detail.

Nicht nur die Verfassungssprecher der Parlamentsklubs, auch Vertreter der OSZE, der Organisation wahlbeoabchtung.org und des Innenministeriums waren zum Austausch ins Wiener Palais Epstein gekommen. Die Runde könnte der Anstoß für eine Enquete im kommenden Jahr sein. Auslöser für die erneut geforderte Wahlrechtsreform war die Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidenten-Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor zwei Jahren.

OSZE-Vertreterin Martina Barker-Ciganikova zitierte zu Beginn aus dem im Februar veröffentlichten Abschlussbericht zur Nationalratswahl. Dieser hatte ein durchaus positives Resümee gezogen. Allerdings missfallen der Organisation etwa die geringen Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Obergrenzen bei den Wahlkampfkosten. Kandidaten und Abgeordnete sollten nicht mehr in Wahlvorständen sitzen. Die Briefwahl gehöre derart umgestaltet, dass die Stimmen auf jeden Fall rechtzeitig eintreffen.

Ähnliche Empfehlungen gab Armin Rabitsch von der Organisation „wahlbeobachtung.org“ ab. Er regte zudem bessere Sicherheitsvorkehrungen bei der Briefwahl an. Bei den kandidierenden Listen könnte außerdem eine Frauenquote an die Parteiförderung gekoppelt werden. Allgemein sollte das Wahlsystem „ein Spiegel der Gesellschaft sein“, so Rabitsch, der auch die Veranstaltung selbst lobte, denn: „Der Prozess ist fast so bedeutsam wie das Ergebnis selbst.“

Das Innenministerium hatte Robert Stein, den Leiter der Abteilung Wahlangelegenheiten der Bundeswahlbehörde, zur Diskussion entsendet, um „Wünsche“ an den Gesetzgeber zu formulieren. Eine „Streckung“ der bei Wahlen geltenden Fristen würde etwa sicherstellen, dass Wahlkarten rechtzeitig einlangen. Die beste Möglichkeit, dies auch bei Auslandsösterreichern sicherzustellen, wäre laut Stein das umstrittene E-Voting.

Die Verfassungssprecher der Klubs nahmen die ihnen zugespielten Bälle gerne auf. Wolfgang Gerstl von der ÖVP kam aber nicht umhin, das bestehende System erst einmal zu loben, was auch die OSZE getan habe. Er stellte in den Raum, dass bei manchen Forderungen Interessen und Grundsätze einander diametral gegenüber stünden. Etwa bei jener nach einer Frauenquote und der nach einem gestärkten Vorzugsstimmenrecht.

SPÖ-Abgeordneter Peter Widmann konstatierte, dass sich beim Wahlrecht der gesellschaftliche Anspruch verändere, etwa beim Wunsch nach größerer Transparenz. Auch niemand könne sich mehr dagegen verwehren, Wahlkarten noch am selben Tag auszuzählen, da Rechtssicherheit am Wahltag wichtig sei. Aber auch er merkte angesichts der allgemeinen Debatte an: „Es gibt kaum ein Land der Welt, wo es 80 Prozent Wahlbeteiligung gibt.“

Ein heißes Eisen griff der Freiheitliche Harald Stefan an, nämlich die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe, die er und seine Partei ablehnen. „Wir sind überzeugt, dass es nicht manipulationsfrei abläuft“, argumentierte er. Auch die Briefwahl müsse wieder zur Ausnahme werden. Auch die „Heilige Kuh“ der Vorzugsstimmen sei nicht immer von Vorteil. So profitierten nicht immer die besten Kandidaten, sondern oft jene, die die Mittel zur Präsentation haben.

„Ja, eine Zwei-Drittel-Mehrheit herzustellen ist eine Herausforderung“, warf Nikolaus Scherak von den NEOS einen Blick auf die kommenden Diskussionen bei der Wahlrechtsreform. Allerdings hätte man auch schon nach der Bundespräsidentenwahl 2016 einiges bewegen können, merkte er an. Etwa beim schon lange diskutierten Informationsfreiheitsgesetz. Bei der Wahlkampffinanzierung seien die Grenzen viel zu hoch, die Sanktionen zu schwach.

Für Alfred Noll von der Liste Pilz ist die Obergrenze von sieben Mio. Euro für den Wahlkampf zu viel, er forderte deren Halbierung. Ebenfalls halbiert gehört für ihn die Hürde für den Einzug in den Nationalrat von vier Prozent - was das Ausscheiden der Grünen aus den Nationalrat verhindert hätte, bemerkte er. Das Wahlrecht hält aber auch Noll nicht für die „Achillesferse des politischen Systems in Österreich“.

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