Ungarns Helfer bemühen sich trotz Erschwernissen um Flüchtlinge
Budapest (APA) - Als sich vor drei Jahren Flüchtlingsströme durch Ungarn wälzten, gehörte Kati Bukucs zu den freiwilligen Helfern. Die Unter...
Budapest (APA) - Als sich vor drei Jahren Flüchtlingsströme durch Ungarn wälzten, gehörte Kati Bukucs zu den freiwilligen Helfern. Die Unternehmerin versorgte Migranten an Budapester Bahnhöfen mit Essen und Trinken, war oftmals 20 Stunden am Tag im Einsatz. Doch das Thema Flüchtlinge gehört auch heute noch zu ihrem Alltag.
„Wir sammeln aktuell warme Kleidung, Schuhe, Decken für Flüchtlinge, die hier in Ungarn gestrandet sind“, erklärte Bukucs im APA-Gespräch. Es ginge auch um Migranten, die nach Ungarn zurückgeschoben wurden.
In einem Pester Straßencafe trifft Bukucs eine junge Ärztin, mit der sie seit drei Jahren eng zusammenarbeitet. Die 40-jährige beherbergt in ihrer Wohnung immer wieder „gestrandete“ Flüchtlinge, wie sie im APA-Gespräch erzählt. „Diese Menschen stehen da ohne Unterkunft, Geld, ohne Hilfe, sollen sich eine Arbeit beschaffen, brauchen eine Adresse für den Behördengang.“ Die Ärztin erinnert an die Aussichtslosigkeit dieser Menschen, die zumeist einen Asylstatus oder Schutzstatus erhalten haben, aber völlig hilflos seien.
Gegenwärtig wohnen in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung fünf Flüchtlinge: drei Syrer, ein Afghane und ein Pakistani. Keine geringe finanzielle Belastung. „Ja, die Jungs essen gut, Kleidung versuchen wir zu sammeln, da sie nur über Sommersachen verfügen.“ Hier und dort würden ihre Schützlinge auch hinzuverdienen, im Kebab-Lokal oder in einer Pizzeria.
Den Weg zu den Helferinnen finden die Betroffenen über Mundpropaganda. „Die nach Ungarn abgeschobenen Menschen werden am Flugplatz oder an einem Bahnhof abgeladen, und damit hat es sich“, kritisierte die Frau. Es habe auch Migranten gegeben, die angesichts der Aussichtslosigkeit den Rückweg in ihre Heimat antraten. Andere wiederum würden immer wieder den Absprung nach Westeuropa versuchen.
Selbst wer ein ungarisches Papier über seinen Asylstatus hat, werfe dieses Dokument sehr oft vor seiner Flucht in den Westen weg, in der Hoffnung, dort einen neuen Antrag stellen zu können. „Doch wird der Flüchtling schließlich zurückgeschoben, fängt der Behördengang von vorne an. Aber in Ungarn will eh kaum ein Flüchtling bleiben.“
Wer letztlich einen Status erhält, werde in das Flüchtlingslager nach Vamosszabadi überstellt. Dort dürfte sich der Betreffende 30 Tage aufhalten. Doch viele Migranten würden diesen begrenzten Aufenthalt im Lager, die Ausstellung der Personaldokumente, nicht abwarten, sondern einen neuen Versuch der Flucht nach Westeuropa unternehmen. „Wer dennoch im Lager bleibt, wird nach 30 Tagen einfach auf die Straße gesetzt. Ohne jegliche staatliche Hilfe“, erinnerte die Ärztin. Karitative Organisationen und Privatpersonen helfen diesen Menschen. Bukucs startete gerade eine Sammlung für Flüchtlingsfamilien, die sich in massiver Existenznot befinden. Es wurde auch Geld gesammelt für einen Ungarisch-Sprachkurs für einen jungen Iraker.
Das Ungarische Helsinki-Komitee (HHC) ist eine solche Organisation. „Drei Jahre nach Grenzschließung wird mit dem Thema Flüchtlinge seitens der Regierung massiver denn je Politik gemacht. Dabei ist Ungarn doch eine nahezu flüchtlingsfreie Zone“, sagte Zsolt Zadori vom HHC im APA-Gespräch. Zadori kritisierte die Regierung von Premier Viktor Orban. Diese ließ Migranten, die gegen die Ablehnung ihres Asylantrages klagten, sogar hungern. Das Helsinki-Komitee konnte mittels des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) erreichen, dass die Essensversorgung für alle Schutzsuchenden in den geschlossenen Lagern seitens des Behörde erneut garantiert wurde. Das HHC erhielt jüngst für sein Engagement den Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL.
Laut neuem Asylrecht würden die zwei Transitzonen, in denen bisher pro Arbeitstag pro Zone nur jeweils ein Antrag gestellt werden konnte, ohnehin überflüssig. Da Serbien zum sicheren Drittstaat erklärt wurde, müssten Anträge der aus Serbien kommenden Migranten automatisch abgelehnt werden, betonte Zadori. Er erinnerte daran, dass die ungarische Regierung gegen das EU-Recht verstößt, denn die ungarischen Asyl- und Rückführungsvorschriften seien nicht damit vereinbar. In Serbien würden Flüchtlinge zum Teil seit zwei Jahren darauf warten, einen Antrag in einer der Transitzonen stellen zu können. Im ersten Halbjahr hätten 310 Antragsteller internationalen Schutz erhalten, 53 davon den Asylstatus.
Umstritten ist auch eine jüngste Verfassungsänderung, die die Ansiedlung einer „fremden Bevölkerung“ untersagt, erinnerte Zadori. Das sogenannte „Stop-Soros“-Gesetzespaket - benannt nach dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros, der für die ungarische Regierung als erklärter Hauptgegner gilt - droht außerdem Personen oder Organisationen mit Haftstrafen, die Migranten ohne Schutzberechtigung helfen, Asylanträge einzureichen oder illegale Migranten bei ihrem Aufenthalt in Ungarn unterstützen. Betroffen ist auch das HHC. „Trotz Damoklesschwertes setzen wir unsere Arbeit fort, schicken niemanden weg, wenn er uns um Hilfe ersucht. Außer uns gewährt niemand kostenlosen Rechtsbeistand.“ Zugleich würden die Angriffe der Orban-Regierung zu mehr Solidarität führen unter den Nichtregierungsorganisationen, um Orban gemeinsam die Stirn zu bieten.
Seit 2015 mache die Orban-Regierung den Menschen damit Angst, dass Hunderttausende von Migranten aus dem Westen nach Ungarn zurückgeschoben würden, da sie über Ungarn in die EU gelangt sind. Orban habe Erfolg mit dieser Politik, habe damit die jüngsten Wahlen gewonnen, seine Macht gesichert und ausgebaut, so Zadori. Zudem gebe es in der ungarischen Opposition keine Partei, „die Orbans Flüchtlingspolitik niveauvoll kritisiert“, bemängelte er.