EU-Vorsitz: Sanchez will linker Gegenpol zu konservativem Europa sein

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~ --------------------------------------------------------------------- KORREKTUR-HINWEIS In APA037 vom 10.09.2018 muss es im ersten Absatz richtig heißen: „...EU-Gipfel in Salzburg (19./20.9.) ...“ (nicht: 20./21.9.) --------------------------------------------------------------------- ~ Madrid/Wien (APA) - Bundeskanzler Sebastian Kurz besucht am Mittwoch bei einer Sondierungsreise für den EU-Gipfel in Salzburg (20./21.9.) und das für Anfang Dezember in Wien geplante EU-Afrika-Forum Madrid. Große Meinungsverschiedenheiten über Europas Flüchtlingspolitik sind mit Spaniens sozialistischem Premier Pedro Sanchez nicht zu erwarten. Sonst tickt Sanchez aber anders als der ÖVP-FPÖ-Regierungschef.

Beide sprechen sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen, den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex und einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik aus. Doch hier dürften die gemeinsamen Vorstellungen über die Zukunft Europas auch enden. Der Sozialist Sanchez (PSOE), der nun seit genau 100 Tagen im Amt ist, versteht sich als linker Gegenspieler des rechtskonservativen Bundeskanzlers aus Wien. Die Wirtschaftskrise, der Brexit, Trumps „America first“ und die Furcht vieler Europäer vor Flüchtlingen haben in vielen EU-Ländern zu einem klaren Rechtsruck geführt. Von Skandinavien bis zum Balkan sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Und Sanchez will Spanien zu einem Bollwerk linker Politik in einem größtenteils konservativ regierten Europa machen.

Die Priorität seiner Regierung sei die Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit und die Rückgewinnung sozialistischer Sozial- und Wirtschaftspolitik, versicherte Sanchez am Sonntag im nordspanischen Oviedo. Er wolle die neoliberale Wirtschaftspolitik der konservativen Vorgängerregierung wieder rückgängig machen. Das heiße, so Sanchez, „mehr Investitionen in Kultur, Bildung, ins staatliche Gesundheitssystem, in den Umweltschutz, in erneuerbare Energien, in Pensionen“.

Sanchez will mit Kataloniens Separatisten den Dialog suchen, die Steuer für Gutverdiener anheben, die Gleichberechtigung von Männer und Frauen fördern. „Wir sind die Regierung mit den meisten Frauen auf der Welt“, stellt Sanchez immer gerne hervor. Per Dekret beschloss sein Kabinett, die Reste des rechtsnationalistischen Diktator Francisco Franco (1892-1975) zu exhumieren. Mautgebühren auf Spaniens Autobahnen werden langsam abgebaut werden. Das Staatsfernsehen soll politisch unabhängiger werden.

Auch in Europa will er für eine sozial verträglichere, sozialistischere Politik kämpfen. Bleibt jedoch abzuwarten, ob er all diese Pläne über in Spanien umsetzen kann. Sanchez steht nämlich einer Minderheitsregierung mit nur 85 von 350 Parlamentariern vor. Der 46-jährige Madrilene will zwar versuchen, bis zum regulären Ende der aktuellen Legislaturperiode 2020 zu regieren. Seine Regierung ist aber von der linkspopulistischen Podemos, verschiedenen Regionalparteien sowie von den baskischen Nationalisten und den katalanischen Separatisten abhängig, dessen Forderungen an die neue Regierung so hoch ausfallen könnten, das politische Beobachter eventuell noch in diesem Jahr von Neuwahlen ausgehen.

Vor allem in Katalonien erwartet Sanchez nun ein „heißer Herbst“. Die separatistische Regionalregierung von Quim Torra will zum ersten Jahrestag des gescheiterten Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober erneut die Massen mobilisieren, um für die Freilassung der „politischen Gefangenen“ und die Einführung der katalanischen Republik zu protestieren.

Unterdessen wollen die stärkste Parlamentsfraktion, die oppositionellen Konservativen von Pablo Casado (PP), sowie die liberalen Ciudadanos von Albert Rivera nicht den geplanten Haushalt der Sozialisten unterstützten. Das könnte Neuwahlen bewirken. So befinden sich Spaniens Oppositionsführer, aber auch Sanchez selber, bereits im Wahlkampfmodus. Zumal im Frühjahr parallel zu den Europawahlen auch landesweite Kommunal- und zahlreiche Regionalwahlen in Spanien stattfinden.

Pablo Casado will als frisch gewählter Oppositionsführer zudem an Profil gewinnen. Sein direkter Rivale am rechten Wählerrand, Ciudadanos-Chef Albert Rivera, hat den Kampf um die Stimmen angenommen. Laut jüngster Umfragen befinden sich Liberale und Konservative mit 20,4 Prozent punktgleich hinter den Sozialisten, die seit der Machtübernahme im Juni fast fünf Prozent in der Wählergunst zulegen konnten.

Casado wie Rivera betreiben mit einem deutlichen Rechtsschwung bereits Wahlkampagne. Neben dem Flüchtlingsproblem nehmen sie vor allem Sanchez dialogbereite Katalonien-Politik ins Visier und warnen davor, der Sozialist würde für den Machterhalt die Einheit des Landes aufs Spiel setzen.

Riveras Liberale kündigten vergangene Woche auch das Regierungsbündnis mit den Sozialisten in Andalusien auf. Der Fall zeigt, wie wackelig Sanchez Regierungsstabilität auch auf nationaler Ebene ist. In dieser Vor-Kampagnen-Phase dürfte Sanchez gerade das Treffen mit dem konservativen österreichischen EU-Ratsvorsitzenden Sebastian Kurz nutzen wollen, um seine sozialistische Politik zu verteidigen. Zumal ihm der Schulterschluss zwischen Kurz und Casado auf dem Treffen der Europäischen Volkspartei in Wien nicht besonders gefallen haben dürfte.