So lernen Faule, Mutige und Minimalisten eine Fremdsprache am besten
Am effektivsten lernt man eine Fremdsprache, wenn man sich im jeweiligen Land aufhält. Klingt gut. In der Theorie. Nur wer hat diese Möglichkeit? Doch keine Sorge: Zwei Linguisten geben Tipps, wie man auch zuhause zum Sprachtalent wird.
Von Judith Sam
Was heißt „Danke“ auf Italienisch? „Grazie“. Gut, das war einfach. Als Gardasee-Urlauber weiß man das. Schwieriger ist Frage Nummer zwei: „Wie übersetzt man ,nicht schlecht‘?“ Müsste ich die Antwort schreiben, würde ich spätestens an der Accent-Setzung scheitern. Zum Glück macht die App „Babbel“, wo das Sprach-Abo zwischen fünf und zehn Euro pro Monat kostet, Vorschläge. Ich tippe auf „Non c’è male“. Volltreffer.
Wie praktisch, Italienisch via Smartphone zu lernen. Ab sofort kann ich die Zeit nutzen, wenn ich im Zug sitze oder vor Terminen warte. Man muss sich weder einmal wöchentlich in einem Sprachkurs einfinden noch klobige Lernunterlagen herumschleppen.
Vorteil moderner Lernkonzepte
Damit sind wir jedoch schon beim Problem: „Während kurzer Wartezeiten am Handy Vokabeln zu wiederholen, reicht nicht, um eine Sprache umfassend zu lernen. Schön wär’s“, wirft Manfred Kienpointner ein. Trotzdem ist der Linguist der Universität Innsbruck ein Befürworter moderner Lernkonzepte wie Babbel: „Der Stoff wird hier nämlich in kleine Einheiten mit vielen Wiederholungen aufgeteilt.“
Noch effektiver ist es laut dem Innsbrucker nur, die Sprache im jeweiligen Land zu trainieren: „Hier ist der Druck größer, die Vokabeln anzuwenden. Außerdem hört man automatisch die aktuellste Version.“ Sprache unterliege nämlich ständiger Veränderung: „Ich würde nie ,Tschüss‘ sagen. Eine aktuelle Studie besagt aber, dass das Wort heute irrsinnig verbreitet ist.“
Da die Auslandsvariante jedoch kaum zu realisieren ist, rät Kienpointner zu so genannten Tandem-Treffen: „Dabei suchen sich, über Sprachschulen oder online, zwei Leute unterschiedlicher Muttersprache, die die jeweils andere lernen wollen.“ So könne man, ohne Angst etwas falsch zu machen, plaudern. „In meiner Generation war die Sorge vor Fehlern und Spott noch viel größer als heute. Dieser emotionale Faktor ist nicht zu unterschätzen“, sagt der 63-Jährige.
Tipps vom Linguisten
„Kennen Sie Ihren Lerntyp!“ , rät Linguist Manfred Kienpointner. Je nachdem, ob man visuell, haptisch oder auditiv besser lerne, brauche man andere Unterlagen. Qualitativ sind die modernen Materialien meist ähnlich gut. Langenscheidt sowie Babbel etwa erstellen ihre Kurse mit Hilfe von Sprachwissenschaftern, Lehrern und Muttersprachlern.
Wichtig sei auch der Grund
, warum man eine Sprache lernt: „Will man im Urlaub nur gekonnt beim Abendessen bestellen oder künftig in dem fremdsprachigen Land leben?“ Je nachdem sei es wichtiger sich auf Kommunikation oder Grammatik zu konzentrieren.
Um die Informationen ins Langzeitgedächtnis
zu befördern und nicht gleich zu vergessen, rät der Innsbrucker, viel zu wiederholen und bei Gelegenheit mit Muttersprachlern zu sprechen.
Je früher man eine Sprache lernt, desto besser.
Kinder sollten mehrsprachig aufwachsen. Das Erlernen der ersten Fremdsprache erleichtert nämlich das der künftigen.
Kommunikation vor Grammatik
Darum sei es im Zweifelsfall in Ordnung – auch wenn mancher Lehrer ihm da widerspricht –, mehr Gewicht auf Kommunikation als auf Grammatik zu legen: „Hauptsache man gibt das Lernen nicht auf.“
Kapitulation ist laut Christina Schanzleh von Langenscheidt das Hauptproblem. „Bei Sprachen ist es wie im Fitness-Studio. Am Jahresbeginn hat man großtrabende Pläne, aber kaum wird das Wetter in Frühjahr schön – Sie wissen schon“, sagt die Linguistin.
Um dem vorzubeugen, hat Langenscheidt neben Klassikern – wie dem 19,99-Euro-Komplett-Paket, das neben Unterlagen auch die Möglichkeit eines Langenscheidt-Zertifikats enthält – neue Konzepte entwickelt. Seit August gibt es das Buch „Sprachkurs für Faule“. Optimal für die zehnminütige Bahnfahrt jeden morgen und gespickt mit Kreativität. Vokabel für Obst und Gemüse werden etwa nicht stur aufgelistet. Vielmehr muss man in einem Kästchen, gefüllt mit Buchstaben, die richtigen Worte suchen.
Wer sein Wissen lieber in der Realität als am Papier anwendet, ist mit dem „Mitmach-Sprachführer“ gut bedient. Ein ebenso gewöhnungsbedürftiges wie unterhaltsames Konzept. Warum?
Ein Beispiel: Eine Lektion sind Ausreden und Entschuldigungen, um sich an der Supermarktkasse vorzudrängeln. Der Witz ist, dass der Lernende die neuen Sätze sofort aussprechen soll – beim Drängeln an der Kasse. Die fünf Mut-Stufen, die man im Buch erreichen kann, seien mit Augenzwinkern zu verstehen.
Erstaunlich, wie groß die Angebotspalette heutzutage ist. Dabei geht es laut Kienpointner nicht nur darum, die neue Sprache zu sprechen: „Ebenso regt man mit dem Lernen das Gehirn an. Studien bestätigen nämlich, dass dadurch Kreativität und kognitive Fähigkeiten gefördert werden.“ Wer könnte das besser beurteilen als der Linguist, der neben Deutsch auch Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Türkisch und Holländisch spricht.