Spekulationen um Gesundheit Kaczynskis und Folgen für die PiS
Warschau (APA/dpa) - Nur noch selten und meist auf Krücken gestützt bekamen die Polen den mächtigsten Mann ihres Landes in den letzten Monat...
Warschau (APA/dpa) - Nur noch selten und meist auf Krücken gestützt bekamen die Polen den mächtigsten Mann ihres Landes in den letzten Monaten zu sehen. Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei PiS, zog sich im Mai weitgehend aus der Politik zurück. Angeblich wegen einer Knieerkrankung.
Die PiS versichert, Kaczynski werde bald zur alten Form zurückfinden, und feiert den Besuch des Staatschefs Andrzej Duda kommenden Dienstag bei Donald Trump im Weißen Haus als Zeichen des internationalen Erfolgs der Partei. Doch in Polen ranken sich Spekulationen darum, ob Kaczynskis mysteriöse Krankheit seiner starken Partei schon bald zusetzen kann.
Boulevardmedien heizten sogar Gerüchte über einen Politik-Ausstieg Kaczynskis nach der Parlamentswahl 2019 an. Publizisten bewerteten einen kürzlichen Auftritt des 69-Jährigen als kurz und energielos. Zudem warf ein mehr als einmonatiger Krankenhausaufenthalt Kaczynskis im Sommer mit anschließender Reha Fragen zu seiner Verfassung auf. Obwohl der PiS-Chef abstreitet, schwer krank zu sein, malen Experten die Zukunft der Partei nach ihm aus. „Ohne Kaczynski bricht die PiS auseinander“, meinte der frühere Ministerpräsident Jan Olszewski.
Kaczynski hat keinen Regierungsposten und gilt dennoch als Strippenzieher im Land. Unter seinem Einfluss läutete die PiS nach ihrem Wahlsieg 2015 einen Rechtsruck ein und ordnete sich Kritikern zufolge Medien und Justiz unter. Nun fragen sich Experten, wie lange die mit absoluter Mehrheit regierende Partei ohne einen starken Kaczynski effizient handeln kann. Er gilt als zentrale Entscheidungsinstanz, die rivalisierende Lager der polnischen Rechten zusammenhält, wie der Politikexperte Jacek Kucharczyk vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten erklärte.
Publizisten meinen, Folgen der mehrmonatigen Abwesenheit Kaczynskis bereits zu bemerken. Die Partei habe bisher als Einheit eine Melodie gespielt, nun pfeife jeder sein eigenes Lied, sagt Pawel Lisicki, der für das mit der PiS sympathisierende Blatt „Do Rzeczy“ schreibt.
Beobachter sehen schon ein Rennen um die Kaczynski-Nachfolge bei der PiS. „Mateusz Morawiecki wird das Gesicht und der Nachfolger von Jaroslaw Kaczynski sein“, meinte Malgorzata Kidawa-Blonska von der Oppositionspartei PO zum Ministerpräsidenten, der bisher als Kaczynskis Marionette dargestellt wurde. Im Wahlkampf für die Regionalwahlen im Oktober steht er nun im Vordergrund. Als weiterer „Thronfolger“ wird in den Medien der Innenminister Joachim Brudzinski gehandelt, ein langjähriger Vertrauter und rechte Hand Kaczynskis.
Der Warschauer Politologin Jadwiga Staniszkis zufolge würde die PiS ohne Kaczynski gemäßigter und kompromissbereiter werden - auch bei Konflikten mit der EU, wie sie dem Portal „Wirtualna Polska“ sagt. Kaczynski zeigt sich im Justizstreit Polens mit der EU auch angesichts schwerer Sanktionen unnachgiebig. Polen könnte deswegen sogar seine Stimmrechte im EU-Ministerrat verlieren. „Der Preis, den wir alle für das Funktionieren der PiS zahlen, ist sehr groß“, sagte Staniszkis. Dessen sei sich jeder infrage kommende Nachfolger bewusst.
Dem Anti-EU-Kurs zum Trotz: Die PiS schneidet in jüngsten Studien des Meinungsforschungsinstituts CBOS mit 44 Prozent als stärkste politische Kraft Polens ab. Die Nationalkonservativen punkten bei den Wählern seit Jahren mit einem üppigen Sozialprogramm. Politische Gegner wie die liberalkonservative Oppositionspartei PO lassen sie mit nur 19 Prozent der Stimmen auf Platz zwei hinter sich zurück.
Sind die Spekulationen über Kaczynskis Gesundheit voreilig? Der PiS-Chef will jedenfalls von einem politischen Ruhestand nichts wissen. „Ich habe ein Problem mit meinem Knie, das ist meine einzige ernsthafte Erkrankung“, versicherte er in der regierungsnahen Zeitschrift „Wsieci“. Auf Kaczynskis Wunsch veröffentlichte sein Krankenhaus sogar eine Mitteilung zur Kniebehandlung. „Ich kann kürzer, aber auch länger Partei-Chef sein“, erklärte Kaczynski. „Doch so ein Problem gibt es derzeit nicht.“