Lienzer Dekan im TT-Interview: ,,Das größte Gift ist die Angst“
Pfarrer Franz Troyer von der Stadtpfarrkirche St. Andrä in Lienz wurde am Donnerstag zum Dekan gewählt.
Lienz – Einen neuen Dekan gibt es mit Franz Troyer in Lienz. Der bisherige Dekan Bernhard Kranebitter wechselte im September nach Innsbruck-Kranebitten, wo Troyer bis zuletzt tätig war. Als Dekan-Stellvertreter wurde Franziskanerpater Martin Bichler gewählt. Troyer ist auch der Vertreter des Dekanats im Priesterrat. In Lienz hat der neue Dekan viel vor.
Sie waren von 1992 bis 1996 als Kooperator von Dekan Josef Huber in St. Andrä tätig. Was haben Sie aus Lienz damals mitgenommen?
Franz Troyer: Ich habe von Josef Huber großes Vertrauen erfahren: Schon bei der ersten Weihnachtsmette durfte ich die Predigt halten. Man darf also Verantwortung teilen, einander etwas zutrauen und Fehler machen. Weiters habe ich mich in dieser Zeit sehr für die Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt. Wo jetzt der Kirchenwirt ist, war damals der Jugendtreff Bruchbude.
Was bringen Sie wieder mit nach Lienz?
Troyer: Drei Themen: In der Kinder- und Jugendarbeit steckt wahnsinnig viel Potenzial. Das gilt es in einem sicheren Rahmen ans Licht zu holen und zu entwickeln. Der Sportplatz im Pfarrgarten wird geöffnet. Ich stelle unseren Jungen Räume mit einem eigenen Eingang im Widum zur Verfügung. Sie sollen lernen dürfen, was es heißt, Verantwortung zu tragen, sich freiwillig zu engagieren und manchmal auch Krisenmanagement leisten zu müssen (lächelt).
Ein zweiter Bereich wäre?
Troyer: Wir dürfen uns nicht abwenden von unseren Mitmenschen. Sie brauchen unsere Begleitung, erst recht, wenn sie an einem Wendepunkt des Lebens stehen. In unserer Nachbarschaft befinden sich das Wohn- und Pflegeheim sowie das Bezirkskrankenhaus. Die Menschen dort stehen an Wendepunkten. Den Unbekannten gilt es einzuladen und hereinzuholen. Das größte Gift ist die Angst.
Wie meinen Sie das?
Troyer: Es ist die Angst, die uns allen am meisten Schaden zufügt. Die Angst vor dem Unbequemen, Unbekannten und Fremden. Ich mag nicht, wenn sich eine lebendige Pfarrgemeinde in sich selbst wohlfühlt und dabei andere das Gefühl haben, nicht dazugehören zu dürfen. Jeder darf mit uns am Tisch sitzen und lachen oder traurig sein. Niemanden schließen wir aus. Lieber machen wir gemeinsam etwas Gutes als allein etwas sehr Gutes. Auch Perfektionismus ist ein Gift. Angst begegnet man nur mit emotionaler Wärme.
Wie lautet das dritte Thema, das Sie mitbringen?
Troyer: Die spirituelle religiöse Bildung ist mir ein großes Anliegen. Mit dem Angebot im Bildungshaus haben wir im Bezirk ein hohes Maß an kritischer Auseinandersetzung mit uns selbst und unserem Glauben. Wie in meinem Einstandsgottesdienst gesagt, ist die Bibel mein Parteiprogramm. Die Bildung ist mein Schlüssel zu Information und Aufklärung, um Angst zu beseitigen.
Die Kirche ist seit vielen Jahren massiver Kritik ausgesetzt, Stichwort Missbrauch und ihr Umgang damit.
Troyer: Ich träume nicht von einer idealen Kirche. Meine Kirche ist herzlich, einfach, offen und ehrlich. Es passieren große Fehler, die nicht zu bestreiten sind. Doch ich frage: Was lernen wir daraus? In Österreich haben wir sicher Bewusstsein gelernt.
Sie betonen immer wieder die Zusammenarbeit. Können Sie das verdeutlichen?
Troyer: Ich bin sehr glücklich, dass mit Pater Martin Bichler ein Franziskaner zu meinem Stellvertreter als Dekan gewählt worden ist. Lienz mit den Umlandgemeinden kann sich glücklich schätzen, drei relativ junge Priester in seinen drei Pfarrgemeinden zu haben. Nur gemeinsam können wir den Herausforderungen der Zukunft begegnen. Ich glaube nicht an große Veränderungen in der Kirche. Es geht darum, was wir selbst daraus machen.
Sie haben Bürgermeisterin Elisabeth Blanik besucht. Wie stehen Sie zur Politik?
Troyer: Die Politik geht uns alle an. In der EU gibt es nationalistische Tendenzen, die ich besorgt sehe. Auch hier ist Angst meine Erklärung für vieles. Die Kirche muss wach sein und sich einmischen, nicht nur in gesellschaftspolitischen Fragen. Ich bin selbst ein schneller Mensch und kann mit der Schnelllebigkeit unserer Zeit gut umgehen. Doch man darf auch nicht zu schnell werden, dass einem die anderen nicht mehr folgen können oder wollen.
Was haben Sie mit der Bürgermeisterin besprochen?
Troyer: Ich habe einiges vor. Noch bin ich in Lienz beim Wiederkennenlernen. 22 Jahre sind seit meinem Abschied vergangen und es hat sich bestimmt einiges verändert. Der Bürgermeisterin habe ich einige Ideen vorgestellt. Ich kann mir zum Beispiel sehr gut Kunst, Kultur und Theater im Arkadenhof von St. Andrä vorstellen. Sehr gerne würde ich die Krypta unter dem Altarraum trockenlegen und zugänglich machen lassen – und zwar barrierefrei. Barrierefrei auch ganz im übertragenen Sinn.
Das Interview führte Christoph Blassnig