Scharfe Kritik an möglichem Kohle-Ausstiegsdatum in Deutschland
Berlin (APA/AFP) - Das Bekanntwerden eines möglichen Kohle-Ausstiegsdatums in Deutschland hat am Wochenende scharfe Kritik sowohl von Kraftw...
Berlin (APA/AFP) - Das Bekanntwerden eines möglichen Kohle-Ausstiegsdatums in Deutschland hat am Wochenende scharfe Kritik sowohl von Kraftwerksbetreiber RWE und Betriebsräten als auch von Kohlegegnern hervorgerufen. Nach „Spiegel“-Informationen schlägt die Kohlekommission einen Ausstieg zwischen den Jahren 2035 und 2038 vor.
Ronald Pofalla habe als einer der vier Vorsitzenden nach einer Reihe von Gesprächen eine Kompromisslinie erarbeitet und diese in Bundesumweltministerium und Kanzleramt vorgestellt.
Der Kompromisslinie zufolge sollen die letzten Kohlekraftwerke in Deutschland zwischen 2035 und 2038 geschlossen werden. Geplant ist laut „Spiegel“, Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt fünf bis sieben Gigawatt bis 2020 vom Netz zu nehmen und gegebenenfalls als Reserve zu behalten. Spätestens im Jahre 2027 solle geprüft werden, ob der Ausstiegspfad eingehalten werden könne.
Auch die Maßnahmen, mit denen der Strukturwandel in den Braunkohleregionen bewältigt werden soll, würden in einem Bundesgesetz festgeschrieben. Dazu zählen etwa der Ausbau von Breitbandnetzen und die Eisenbahnstrecke von Görlitz nach Berlin.
Die aus Politikern, Verbänden und Wissenschaftlern zusammengesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll bis Jahresende einen Plan zum Kohleausstieg vorlegen, der die Interessen der betroffenen Regionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze berücksichtigt.
Der deutsche Energiekonzern RWE erklärte, ein Enddatum für den Betrieb von Kohlekraftwerken zwischen 2035 und 2038 sei „für das Unternehmen nicht akzeptabel“. Die Strukturwandelkommission müsse ein „schlüssiges Gesamtkonzept“ erarbeiten.
Die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie kritisierte Pofalla scharf. Wenn dieser „mit irgendwelchen Ausstiegsdaten jongliert, die nichts mit den in der Kommission besprochenen Sachverhalten zu tun haben, dann kappt er fahrlässig das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das sich in dem Gremium gerade erst gebildet hat“, erklärte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis.
Die RWE-Betriebsräte nannten ein Enddatum von 2035 bis 2038 „das K.o-Kriterium für eine seriöse Debatte über die Zukunft der Kohleverstromung in Deutschland“. Es sei „empörend, wie hier leichtfertig“ mit der Zukunft der Beschäftigten umgegangen werde. Sie forderten von der Kohlekommission eine Lösung, „die wir Arbeitnehmer mittragen können“.
Nach Angaben von Martin Kaiser, Greenpeace-Geschäftsführer und Mitglied der Kohle-Kommission, kann von einer Einigung „keine Rede sein“. Greenpeace kenne „keinen Vorschlag von Herrn Pofalla“. Der Protest gegen „RWEs irrsinnige Kohlepläne im Hambacher Forst“ zeige, dass viele Menschen klare Schritte zu mehr Klimaschutz erwarteten.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte: „Dass hier offenbar an der Kommission vorbei Vorabsprachen mit einzelnen Ministerien und dem Kanzleramt getroffen werden, ist nach dem Vorgehen im Hambacher Wald ein weiteres grobes Foul.“ Der Vorschlag sei „viel zu ambitionslos, die Pariser Klimaziele würden damit verfehlt“.
Der Hambacher Forst war in den vergangenen Monaten zum Symbol für den Kampf von Umweltschützern gegen die Kohleverstromung geworden. Ein Teil des zwischen Aachen und Köln gelegenen Waldgebiets ist seit geraumer Zeit von Klimaaktivisten besetzt. Der Energiekonzern RWE will ab Mitte Oktober einen weiteren Teil des Waldes roden, um seinen angrenzenden Braunkohletagebau zu erweitern. Am Donnerstag wurde in dem Waldgebiet mit der Räumung von Baumhäusern begonnen, die auch am Wochenende fortgesetzt wurde.