UNO-Vollversammlung - „Multilateralismus“: Schlagwort und Streitpunkt
New York/Wien (APA) - Ein Schlagwort geistert im Vorfeld der am Dienstag beginnenden Generaldebatte der 73. UNO-Vollversammlung in New York ...
New York/Wien (APA) - Ein Schlagwort geistert im Vorfeld der am Dienstag beginnenden Generaldebatte der 73. UNO-Vollversammlung in New York durch die internationalen Medien. Es heißt „Multilateralismus“, und offenbar scheiden sich bei den führenden Köpfen dies- und jenseits des Großen Teichs die Geister darüber, welche Bedeutung der länder- und kontinenteübergreifenden Kooperation eingeräumt werden soll.
Die Beschwichtigung der US-amerikanischen UNO-Botschafterin Nikki Haley klang jedenfalls fast wie eine Drohung: Die US-Regierung meine ja nicht, dass Multilateralismus nicht funktioniere, jedoch müsse die „Souveränität Priorität haben“, steckte Haley vergangene Woche die Position von Präsident Donald Trump vor der am Dienstag beginnenden UNO-Generaldebatte ab. Die Botschaften, die führende Politiker der EU bei ihrer Reise nach New York im Gepäck haben, klingen freilich anders. Für Diskussionen scheint also gesorgt.
So ließ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der gemeinsam mit der Außenbeauftragten Federica Mogherini eine hochkarätige Delegation zum alljährlichen Get-Together am Hauptsitz der Vereinten Nationen führt, wissen: „Europa wird nie eine Festung sein, die der Welt, oder jenen, die leiden, den Rücken zukehren wird.“ Europa sei keine Insel, sondern müsse „ein Champion in Sachen Multilateralismus“ sein. „Die Welt gehört allen und nicht nur ein paar Auserwählten.“
Nun wurde der Terminus „Festung Europa“ in den vergangenen Jahren im Zuge der Flüchtlings- und Migrationsdebatte zwar auch von europäischen Politikern (nicht zuletzt in Österreich) in den Mund genommen, doch sind von den meisten EU-Politikern weniger egoistische Töne zu hören als von Trump.
Dessen Rede am Dienstag wird mit Spannung erwartet. Es sickerte schon durch, dass der US-Präsident wieder einmal in „America-First-Manier“ auftreten wird. Der Republikaner werde „die außenpolitischen Erfolge der USA im vergangenen Jahr“ darlegen, hieß es etwa. Damit dürften die Annäherung an „Little-Rocket-Man“, wie Trump Nordkoreas Diktator Kim Jong-un früher betitelte, gemeint sein. Erwartet wird auch ein neuerlicher verbaler Ausritt gegen den Iran.
Tatsache ist, dass Trumps Außenpolitik zuletzt das Eigeninteresse ganz besonders in den Vordergrund stellte. Bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit werde Trump laut Haley voraussichtlich betonen, „dass die USA zwar großzügig sind, aber nur zu denjenigen großzügig sein werden, die unsere Werte teilen, und nicht zu denjenigen, die versuchen, uns aufzuhalten, und sagen, dass sie Amerika hassen“.
Töne wie diese rütteln selbst die Spitze der Weltgemeinschaft auf. Vor Beginn der Generaldebatte mit mehr als 120 Staats- und Regierungschefs äußerte sich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres besorgt über Angriffe auf die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft. „Der Multilateralismus wird aus vielen verschiedenen Richtungen attackiert - gerade dann, wenn wir ihn am dringendsten brauchen“, sagte Guterres vergangene Woche.
Dass er damit explizit Donald Trump und seinen US-Ego-Trip meinte, wollte Guterres nicht explizit bestätigen. „Ich personalisiere nicht gerne.“ Doch war offensichtlich, in welche Richtung der Generalsekretär gedacht hatte. Ganz generell meinte er: „Ich denke, wir sind in einer schwierigen Situation, wo in verschiedenen Gegenden und aus verschiedenen Gründen das Vertrauen der Menschen in ihre Regierungen, das Vertrauen der Staaten zueinander und das Vertrauen der Menschen in internationale Organisationen erodiert worden ist.“
Es ist daher zu erwarten, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Guterres recht schnell eine gemeinsame Linie findet, wenn er am Dienstag - gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) - ein bilaterales Gespräch mit dem UNO-Chef führen wird. Schließlich hatte er schon anlässlich des Besuchs der EU-Kommission in Wien Anfang Juli getwittert: „Unsere einzige Option ist es, durch Kooperation zu handeln, und die Antwort kann nur starker Multilateralismus sein.“
Ähnlich argumentierte der Bundespräsident während des Besuchs bei der UNO-Vollversammlung: „Dass die österreichische Staatsspitze gemeinsam in New York ist, zeigt das geeinte Auftreten Österreichs in der Außenpolitik.“ Es ist sehr aber vor allem „ein klares Bekenntnis zur UNO“ und zeige, dass Österreich ein energischer Vertreter des Multilateralismus sei. „Die großen globalen Herausforderungen, von Klimaschutz bis Migration, können wir nur gemeinsam lösen, deswegen liegt die Stärkung multilateraler Institutionen, allen voran der UNO, in unser aller Interesse.“ Auch Kurz pflichtete bei: Österreich sei ein Verfechter des Multilateralismus.
Eventuell kann der Bundespräsident am Montagabend als Vertreter eines kleinen UNO- und EU-Mitgliedsstaats einen Empfang bei Trump dazu nützen, auch dem Präsidenten der mächtigen USA seine Ansichten über die Notwendigkeit des Multilateralismus darzulegen.
Unterschiedliche Ansichten haben der österreichische Ex-Grünen-Chef und der US-amerikanische Tycoon im Weißen Haus übrigens auf allerlei Gebieten. Trump gilt als Skeptiker, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Van der Bellen meint hingegen: „UNO-Generalsekretär Guterres hat völlig recht, wenn er die Klimakrise als die größte globale Herausforderung der Menschheit bezeichnet. Wir sind wahrscheinlich die letzte Generation, die noch eine Chance hat, umzusteuern. Wir sollten diese Chance gemeinsam nutzen.“
~ WEB http://www.un.org/en/ga/ ~ APA013 2018-09-24/05:00