Ratlos und gespalten: Italiens Opposition weiterhin auf Wüstengang

Rom (APA) - Ratlos und gespalten: Fast drei Monate nach dem Amtsantritt der Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega tappt die italienisc...

Rom (APA) - Ratlos und gespalten: Fast drei Monate nach dem Amtsantritt der Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega tappt die italienische Opposition weiterhin im Dunkeln. Der Wüstengang seit den Parlamentswahlen im März scheint kein Ende zu nehmen.

Italien erlebt den präzedenzlosen Fall einer Regierung, die de facto mit keinem externen Widerstand konfrontiert ist. Während die Koalitionsparteien zusammen laut jüngsten Umfragen ein Rekordhoch von über 60 Prozent der Stimmen erreicht haben, gelingt es weder den Sozialdemokraten (PD) noch der Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi eine Mauer gegen die populistische Regierung aufzubauen. Die Opposition scheint orientierungs- und ideenlos, während die Regierung mit ihrem harten Kurs gegen die illegale Einwanderung nicht nur bei der rechten Wählerschaft punktet.

„Wir erleben eine einmalige Situation. Alle sind gegen uns: Das Europa der Bürokraten, der Finanzkapitalismus, die Medien: Jeder ist gegen unsere Regierung, nur die italienische Opposition fehlt. Wo hat sich die Opposition versteckt? Die Regierung muss diese Lücke füllen, indem sie koalitionsintern eine eigene Opposition bildet“, scherzte Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo.

Auch Karikaturisten beschäftigen sich mit dem Rätsel der verschwundenen Opposition in Italien. Nachdem der allgegenwärtige Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini am Montag sein Sicherheits- und Migrationspaket verabschiedete, veröffentlicht die Tageszeitung „Secolo XIX“ eine vielsagende Vignette mit dem Titel „Die energische Reaktion der Opposition“. Darunter die gähnende Leere eines weißen Blattes, um die Abwesenheit der Oppositionskräfte zu untermauern.

Vergebens bemüht sich der Partito Democratico (PD), der Italien fünf Jahre lang regiert hatte und bei den Parlamentswahlen im März auf ein Rekordtief von 18 Prozent abgerutscht war, Lebenszeichen von sich zu geben. Die Partei von Ex-Premier Matteo Renzi, die es noch bei den EU-Parlamentswahlen 2015 auf 40 Prozent der Stimmen geschafft hatte, ist nur noch der Schatten seiner selbst. Nach der Blamage bei den Parlamentswahlen ist es den Sozialdemokraten nicht gelungen, interne Rivalitäten ad acta zu legen und sich für eine scharfe Opposition zur populistischen Regierung stark zu machen. Machtkämpfe im Hinblick auf den Kongress sind ausgebrochen, bei dem ein neuer Parteichef anstelle des uncharismatischen Ex-Landwirtschaftsministers Maurizio Martina gekürt werden soll.

Noch nie wirkte die italienische Linke derart gelähmt und zerstritten. Die interne Lage im PD ist so dramatisch, dass dessen Präsident Matteo Orfini die Auflösung und Neugründung der Gruppierung vorschlägt. Ex-Industrieminister Carlo Calenda lud mehrere Spitzenpolitiker zu einem Abendessen ein, um eine künftige Strategie zum Neustart der Partei zu besprechen. Doch wegen Differenzen und Kritik an seinem Vorhaben musste Calenda das Treffen absagen. Die PD sei ein „Fall für den Psychiater“. Ein halbes Jahr nach der Wahlschlappe wurde noch nicht einmal ein Datum für den nächsten Parteikongress festgelegt. Hier müsste ein Nachfolger für Martina gefunden werden, der die Partei nach der Wahlschlappe führt. Ex-Premier Renzi will einen seiner Vertrauten ins Rennen um den Chefposten schicken, fand aber bisher keinen passenden Kandidaten.

Nicht besser ist die Lage in der Forza Italia. Die Partei um Ex-Premier Berlusconi ist auf stetiger Talfahrt und schwächelt derzeit in den Umfragen. Bei der Parlamentswahl im März kam die Partei nur auf 14 Prozent, in den neuesten Umfragen liegt sie bei durchschnittlich 6,7 Prozent. Die Forza Italia verliert an Stimmen zugunsten der Lega, die laut jüngsten Umfragen auf einem Rekordhoch von 34 Prozent segelt. Forza Italia und Lega hatten im Rahmen einer Mitte-Rechts-Allianz gemeinsam an den Parlamentswahlen teilgenommen. Die Lega ging jedoch eine Regierungskoalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung ein, sodass die Forza Italia seitdem in Opposition ist.

In den letzten Wochen trat Berlusconi kaum in der Öffentlichkeit auf. Am Sonntag übte der 81-Jährige scharfe Kritik an den Defizitplänen der Regierung und rief Salvinis Lega auf, die Regierungsallianz mit der Fünf-Sterne-Bewegung aufzulösen. „Nach den Kommunisten sieht sich das Land jetzt einer noch größeren Gefahr gegenüber“, wetterte Berlusconi bei einer Veranstaltung in Fiuggi südlich von Rom. Der TV-Unternehmer bezeichnete die populistische Regierung als Gefahr für die Freiheit in Italien. Das Programm der Fünf-Sterne-Bewegung sei schlimmer als er gedacht habe und vor allem unternehmerfeindlich. Der Fernsehmogul erklärte, er wolle bei den EU-Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr wieder in den Wahlkampf ziehen, um sein geliebtes Italien zu „retten“. Doch die meisten Forza Italia-Fans haben sich längst schon von Berlusconi abgewendet und huldigen dem tatkräftigeren und jüngeren Salvini. Für den Wüstengang der italienischen Opposition ist noch lang kein Ende in Sicht.