“Die Unglaublichen 2“: Eine Frau muss es richten
14 Jahre nach ihrem ersten Abenteuer lässt Brad Bird in seinem animierten Wunderwerk „Die Unglaublichen 2“ die Superhelden die Geschlechterrollen tauschen.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Das Territorium der Superhelden ist seit Jahren abgesteckt. Zwei Konzerne teilen sich die Rechte an den legendären Comicfiguren, die in ihrem Paralleluniversum zu Zerstörungsorgien ausrücken, um der Menschheit ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Irgendwann muss aber auch einmal Schluss sein, denn der Aufrüstungswahn wurde bald zum einzigen Unterscheidungsmerkmal der Superhelden. Vernünftige Menschen stellen die Kosten-Nutzen-Frage, für die es in der freien Marktwirtschaft längst eindeutige Abworten gibt.
Nach einem Banküberfall errechnet das Institut den Schaden, nach kurzer Prüfung wird dieser von der Versicherung ersetzt. Mischt sich allerdings ein Superheld wie Mr. Incredible in das Ereignis und zerstört dabei aus persönlichem Ehrgeiz ein ganzes Stadtviertel, freuen sich die Aktionäre, da für solche Fälle die öffentliche Hand aufkommen muss. Deshalb wurden die Superhelden von der Regierung verboten.
Diese Idee hatte Brad Bird 2004 für seinen Animationsfilm „Die Unglaublichen“. Um nicht weiter aufzufallen, musste sich die Superheldenfamilie Parr in einem bescheidenen Vorstadtleben einrichten. Die Komik ergab sich aus der Zurückhaltung, was im Alltag Disziplin und Charakter verlangt. Damit war die Geschichte von Bob und seiner Frau Helen Parr und ihrer drei Kindern längst nicht auserzählt, doch trotz des weltweiten Erfolges behielt man bei den Pixar-Studios die Nerven – 14 Jahre lang. Brad Bird nutzte die Pause mit „Ratatouille“ für einen Ausflug in die Haute Cuisine, die eine Ratte mit feiner Nase durcheinanderwirbelte. Bird zeigte die Küche als Labor, in dem es nicht nur in den Töpfen brodelte, auch das Personal wurde einer Versuchsanordnung unterzogen.
In „Die Unglaublichen 2“ sind die Parrs keinen Tag gealtert, aber im Prekariat angekommen. In zwei Wochen droht die Obdachlosigkeit, unter den Superhelden kennen nur Bruce Wayne (Batman) und Tony Stark (Iron Man) keine Existenzangst. Bob denkt daran, wieder Versicherungen zu verkaufen, als sich mit Winston Deavor ein Milliardär meldet, der einen Ausweg aus dem Dilemma offeriert. Mit den Mitteln moderner Kommunikationstechnik könnten sich die Superhelden, die im Privatleben traurige Figuren abgeben, rehabilitieren und Regierung wie Bevölkerung von der Notwendigkeit wachsamer Superaugen überzeugen. Winston denkt bei dieser Marketingtour aber nicht an den Rabauken Mr. Incredible, sondern an Helen, die als Elastigirl mit Feingefühl und, ohne großen Schaden zu hinterlassen, Schurken jeder Art das Handwerk legen kann. Für Bob bleibt nur die demütigende Rolle des Hausmannes und Alleinerziehers. Das klingt zuerst hausbacken, da sich (zumindest theoretisch) die Vereinbarung, sich Hausarbeit und Kindererziehung zu teilen, durchsetzen konnte. Andererseits hat es Bob mit drei Kindern zu tun, die nicht lange fackeln und den Haushalt schnell in ein Trümmerfeld verwandeln. Während Elastigirl mit ihrer Bodycam auf allen TV-Kanälen die Schönheit einer Superhelden-Existenz demonstriert, kämpft Bob gegen pubertierende Kinder und ein Baby, das ständig in Flammen aufgeht. Trotz des familienfreundlichen Actionpakets stellt Brad Bird mit seiner komplexen Erzählung die Original-Superhelden-Spektakel von DC Comics und Marvel in den Schatten.