Kritik an Innenminister

Kickl zu Medienplan: „Die Pressefreiheit ist unantastbar“

Österreichs Innenminister Herbert Kickl.
© APA

Vom Bundespräsidenten abwärts wird der FPÖ-Innenminister Herbert Kickl davor gewarnt, kritischen Journalisten Informationen vorzuenthalten.

Von Karin Leitner

Wien – Meist sagt Sebastian Kurz nichts zu Aussagen oder Taten von Freiheitlichen, die anderweitig heftig kritisiert werden. Auch aus seiner Parteizentrale wird dahingehend nicht reagiert. Der Koalitionsharmonie wegen. Nun hat sich Kurz geäußert. Überraschend schnell. Von New York aus, wo er dienstlich ist.

„Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, befindet der ÖVP-Kanzler. „Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen.“

Die Botschaft gilt FPÖ-Innenminister Herbert Kickl. Es geht um ein E-Mail seines Ressorts an die Presseabteilungen der Landespolizeidirektionen. Via dieses wird geraten, die Kommunikation mit kritischen Medien „auf das Nötigste (rechtlich vorgesehene Maß) zu beschränken“. Dieses Begehren aus dem Hause Kickl motiviert auch das Staatsoberhaupt zu einer Mahnung. „Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel“, sagt Alexander Van der Bellen. Öffentliche Stellen seien dazu verpflichtet, die Medien umfassend zu informieren und damit den Bürgern die Teilhabe an der demokratischen Diskussion zu ermöglichen.

Alarmiert sind auch die Journalistengewerkschaft und Journalistenorganisationen; sie orten eine „gefährliche Grenzüberschreitung“ durch das Innenministerium. Eine freie Presse sei die Basis für eine starke Demokratie. Jeder Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken, sei der Versuch, die Demokratie einzuschränken.

Die vom Innenressort gewollten Praktiken sorgen auch außerhalb Österreichs für Aufsehen. Vor allem in Deutschland. Auch dort wird vielerorts – von der ARD-Tagesschau über die Welt bis zur Süddeutschen – darüber berichtet. Die Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, Ska Keller, sagt: „Es ist eine Schande und ein Skandal, dass der Innenminister eines EU-Landes versucht, die Pressefreiheit zu unterlaufen.“

In dem Schreiben geht es nicht nur um den Umgang mit Journalisten, sondern auch um das Lieblingsthema der FPÖ: Bei der polizeilichen Medienarbeit solle der Fokus stärker auf Ausländerkriminalität gerichtet sein. Die Nationalität und der Aufenthaltsstatus von ausländischen Verdächtigen sollten genannt werden.

Die Oppositionellen verlangen, dass Kickl politisch abdankt. Nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ danach zu trachten, auf die Vierte Gewalt im Staat Einfluss zu nehmen, sei einmalig, sagt der SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda. „Der Innenminister verliert jede Hemmschwelle. Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden“, sagt NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Kickl meldete sich gestern am Abend zur Causa. „Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung“, so Kickl in einer Aussendung. Der verantwortliche Mitarbeiter gesteht darin einen Fehler ein – neue Richtlinien sollen folgen. Der FPÖ-Innenminister hielt jedenfalls fest: „Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft.“ Auch heute muss sich Kickl verantworten. Die NEOS stellen im Nationalrat eine „Dringliche Anfrage“ zur beabsichtigten Info-Sperre für Journalisten an ihn. Seine Staatssekretärin, ÖVP-Frau Karoline Edtstadler, hat den Minister gestern nicht verteidigt. Sie sei „nicht nur Kennerin, sondern auch Verfechterin der Europäischen Menschenrechtskonvention“. Dazu gehöre das Recht auf Meinungsfreiheit, das Pressefreiheit beinhalte. „Das steht auch in Österreich im Verfassungsrang. Daher ist für mich jede Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit inakzeptabel.“

Im Innenministerium wird beteuert, dass es nicht um einen „Maulkorb“ für missliebige Berichterstatter gehe. Der Leiter der Präsidialsektion, Karl Hutter, sagt: „Von einer ‚Informationssperre‘ kann keine Rede sein.“ Das E-Mail sei weder im Auftrag noch im Wissen des Innenministers oder seines Kabinetts geschrieben worden.

„Auf das Nötigste beschränken“

Vierseitig ist jenes E-Mail, das vom Innenministerium, das der Freiheitliche Herbert Kickl führt, kürzlich an die Landespolizeidirektionen gesendet worden ist. Diesen wird kundgetan, dass es um „eine einheitliche Ressortlinie in der Kommunikation“ gehe.

Den „Lieben L1-Leitern“ wird unter dem Titel „Kritische Medien“ mitgeteilt: „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel Standard‚ Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kurier, eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben. Mittlerweile zählen keine Fakten und Erklärungen mehr, bzw. werden diese einfach ignoriert, da der jeweilige Artikel jedenfalls negativ wird, wie zahlreiche Artikel in jüngster Vergangenheit zeigen. Ich darf daher bitten, bei Anfragen besonders Bedacht zu nehmen und die Auswirkungen mitzubedenken. Anfragen betreffend Ausbildung und andere Themen, die nicht nur euch betreffen können – hier werden wir auch gerne gegeneinander ausgespielt und die Anfrage mehrfach geschickt – bitte in CC an mich zu schicken, sodass eine einheitliche Antwort erfolgen kann und wir uns nicht gegenseitig konterkarieren. Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das Nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen, zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.

Unter „Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus“ ist in dem Schreiben aus Kickls Ressort vermerkt: „Hinkünftig darf ich darum ersuchen, die Staatsbürgerschaft einer mutmaßlichen Täterin bzw. eines mutmaßlichen Täters in euren Aussendungen zu benennen. Zudem gegebenenfalls bei einer

einem Fremden deren/dessen Aufenthaltsstatus, bzw. ob es sich um eine Asylwerberin bzw. um einen Asylwerber handelt. Dieses Vorgehen wird in der Regel aus einer datenschutzrechtlichen Betrachtung heraus möglich sein. Einige von euch machen dies bereits, die anderen darf ich nun dazu einladen (zumal diese Infos meist ohnehin telefonisch erteilt werden)...“

Zu „Sexualdelikten“ heißt es: Diese seien „aus Opferschutzgründen ein heikles Thema, dennoch darf ich euch bitten, vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (z. B. antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen, oder wenn zwischen TäterIn und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden.“ (kale)

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