„Under Pressure“: Siri und Cortana als neue Autokraten im quartier21

Wien (APA) - Die neuen Autokraten heißen Siri, Alexa und Cortana. Sie treffen Entscheidungen für uns - und halten uns durch einen streng ber...

Wien (APA) - Die neuen Autokraten heißen Siri, Alexa und Cortana. Sie treffen Entscheidungen für uns - und halten uns durch einen streng berechneten Mini-Spielraum für individuelle Beweglichkeit darüber im Unklaren. „Under Pressure“ nennt sich eine Ausstellung im Wiener quartier21, die „Formen des Autoritären“ in Politik, Finanz und Künstlicher Intelligenz anhand von 16 künstlerischen Positionen abarbeitet.

„Die Mechanismen zur Einschränkung von Entscheidungsmacht“ seien in allen drei Bereichen eindeutig, erklärte Kuratorin Sabine Winkler bei der Presseführung am heutigen Dienstag. Parteien mit unversteckt autokratischen Zügen erfreuen sich großen Wählerzuspruchs. Regeln eines autoritär agierenden Finanzmarkts werden unwidersprochen eingehalten. In unzähligen Apps tauschen wir bereitwillig unsere Daten gegen vorgefertigte Entscheidungsmuster. Das „Zustandekommen von Mehrheiten“, so Winkler, etwa für autoritäre Tendenzen in der Politik lasse sich unter anderem damit erklären, dass wir uns an das freiwillige Abgeben von Entscheidungsmacht in anderen Lebensbereichen längst gewöhnt haben.

Entsprechend breit sind auch die Themen der teilnehmenden Künstler gestreut: In 26 plakativen Digitaldrucken präsentiert die Peruanerin Daniel Ortiz ein „ABC of Racist Europe“, in dem sie die aktuelle Flüchtlingskrise, sowie den öffentlichen und rechtlichen Diskurs darüber, mit der Kolonialgeschichte geschickt und symbolisch verknüpft. Die Britin Olivia Plender hat ein Brettspiel aus dem 16. Jahrhundert, „The Game of the Goose“ über verarmte und zur Migration in die Städte gezwungene Bauern auf die heutige Situation hin aktualisiert. Spielen kann man auch in einer Installation des Briten Rod Dickinson - und zwar in einem klassischen psychologischen Rollenspiel mit Kooperations- und Konkurrenzmöglichkeiten, die allerdings in einem Skript bereits hinterrücks vorgezeichnet sind.

Vladan Joler aus Serbien analysiert in seinem Share Lab die Blackboxen des Facebook-Konzerns zur Datenauswertung und beschreibt sie in schwindelerregenden Diagrammen, die Londoner Designer Superflux (mit Angewandte-Professorin Anab Jain) haben für ihren Film „Our Friends Electric“ alternative Formen von sprachbasierten KI-Assistenten entwickelt - Eddi, Karma und Sig nehmen dabei als künstliche Charaktere durchaus Meta-Ebenen ein. Eddi fragt permanent nach dem Warum eines Befehls, Karma thematisiert Sicherheit und Recht, Sig präsentiert sich als gehacktes System, das ideologische Gesprächskontrolle ausüben möchte.

Es sind feine Spielräume zwischen Service und Bevormundung, zwischen dem Erraten und Vorgeben von Entscheidungen, zwischen Algorithmen und Staaten, die von der detailreichen, multimedialen und zeitintensiven Ausstellung ausgelotet werden. „Die Entscheidungs- und Verantwortungsräume werden dabei immer kleiner“, so Winkler, die vor einer „Marginalisierung des Subjekts“ warnt. Die US-Amerikanerin Liz Magic Maser inszenierte mit Schauspielern eine therapeutische Situation, in der persönliche Traumata mit gegenwärtiger politischer Frustration gekoppelt werden. „Du hättest mich beschützen sollen“, weint ein Patient. Ein anderer brüllt seinen Ekel heraus. Während alle anderen auditiven Arbeiten der Ausstellung nur via Kopfhörer zu erleben sind, sind diese gutturalen Reaktionen hallend in der ganzen Ausstellung zu hören.

(S E R V I C E - „Under Pressure - Über Formen des Autoritären und die Macht der Entscheidung“. Ausstellung von 28. 9. bis 25.11. freiraum q21 exhibition space, Museumsquartier Wien. www.q21.at)