youngCaritas-Ausstellung: Die vielen Gesichter der Not
Eine Ausstellung von youngCaritas beschäftigt sich mit den Themen „Einsamkeit“ und „Mensch+Ware“. Schlagworte, die auch Caritas-Direktor Georg Schärmer beschäftigen.
Von Nikolaus Paumgartten
Innsbruck –„Die Not“, sagt Georg Schärmer, „hat viele Gesichter.“ Er weiß, wovon er spricht, denn im Laufe seiner Tätigkeit hat Tirols Caritas-Direktor in viele von ihnen blicken müssen – hier und in den hintersten Winkeln unserer Erde: die Fratze des Hungers, die Grimasse der Ausbeutung, die Maske der Abgestumpftheit und Einsamkeit. Doch angesichts des Elends auf der Welt drohe man die Not im eigenen Land aus den Augen zu verlieren, meint Schärmer. Dabei ist sie eine Tatsache, die sich direkt vor uns abspielt.
„Die Einsamkeit ist ein Beispiel für die Not hier. Ein europäisches Phänomen, das fast epidemischen Charakter hat“, sagt Schärmer. Betroffen sind die Menschen quer durch alle Altersgruppen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Alte. Nicht zuletzt die so genannten „sozialen Medien“ seien dafür mitverantwortlich, dass sich Menschen zurückziehen, in der Meinung, wegen Followern und Likes einen großen Freundeskreis zu haben. Die Folge sei, dass reale Freundschaften verkümmern oder diese aktiv abgebrochen werden. Meist ist es ein schleichender Rückzug aus dem gemeinschaftlichen Leben. Alte Treffpunkte verschwinden – wie etwa das gute alte Wirtshaus. „Die Wirtschaft hat den Single als Konsumenten entdeckt und so taucht er immer mehr auch in der Werbung auf“, sagt Schärmer. Aber auch Wohnraum wird auf das Alleinsein ohne Gemeinschaftsräume zugeschnitten. „Singleschließfächer“ nennt der Caritas-Direktor die anonymen Kleinwohnungen in großen Anlagen. „Es gibt Kräfte, die daran arbeiten, Menschen in die Isolation zu treiben“, ist er überzeugt.
Der Mensch hat nur noch dort einen Wert, wo er Geld ausgeben und die Wirtschaft befeuern kann. Nach dem Faschismus und dem Kommunismus gibt es laut Schärmer nun eine neue Weltmacht: den Konsumismus. Das neueste Handy, das beste Auto, die angesagtesten Kleidungsstücke müssen es sein, sonst ist man nicht Teil dieser Gemeinschaft. „Wir definieren uns über Konsumgüter und werden so voll gesteuert“, beklagt Schärmer. Knallige Werbung verspricht Konsumgüter als Heilmittel und Ausgleich für die vielen negativen Nachrichten, die tagtäglich auf die Menschen einprasseln. „Ich konsumiere, also bin ich“, stehe als Motto über allem. Völlig außer Acht gelassen werde dabei meist, wie viel Blut am neuen Handy klebt, weil es unter unmenschlichen Bedingungen gefertigt wurde.
Mit diesen und anderen Gedanken zu den Themen Not, Einsamkeit sowie Mensch und Ware beschäftigt sich eine Ausstellung der youngCaritas – siehe Kasten rechts. Eine Ausstellung, von der Georg Schärmer hofft, dass sie möglichst viele Tirolerinnen und Tiroler besuchen.
Ausstellung NOT
Die interaktive Ausstellung der youngCaritas wurde von Tiroler Schülern gemeinsam mit Tiroler Künstlern gestaltet und beschäftigt sich mit den Themen „Einsamkeit“ und „Mensch+Ware“. Sie wird im Rahmen der Langen Nacht der Museen am Samstag, 6. Oktober, um 19 Uhr eröffnet und kann dann vom 7. bis 18. Oktober täglich von 11 bis 19 Uhr am Landhausplatz in Innsbruck besucht werden.