Abschied von Musikinstitution EAV: „Die Leute werden weinen“ 1
Wien (APA) - Ihre Songs sind nationales Kulturgut: Die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) hat mit ihrem zwischen eingängigem Pop und böse...
Wien (APA) - Ihre Songs sind nationales Kulturgut: Die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) hat mit ihrem zwischen eingängigem Pop und bösem Witz changierenden Sound etliche Hits abgeliefert. Nach vier Jahrzehnten soll nun Schluss ein, veröffentlicht die Band um Sänger Klaus Eberhartinger und Kreativkopf Thomas Spitzer am Freitag ihr letztes Album „Alles ist erlaubt“, das heute Abend in Wien präsentiert wird.
Darauf zeigt man sich wie eh und je kritisch in gesellschaftspolitischen Dingen, schreckt aber auch nicht vor einem Seitenhieb auf vegane Esskultur zurück. Mit der APA sprachen Eberhartinger und Spitzer über die für 2019 angesetzte Abschiedstour, neue Lieblingslieder und den politischen Zustand der Welt.
APA: Was hat für Sie nun den Ausschlag gegeben zu sagen: Einmal noch, und dann ist‘s gut?
Klaus Eberhartinger: Na ja, 40 Jahre sind eine lange Zeit. Irgendwann musst du ein bisschen perspektivisch denken: Was kommt jetzt noch? Die letzten zwei Alben waren für Thomas als Autor schon sehr schwierig, sich noch einmal zu motivieren - noch dazu wo er auch zeichnet und malt. Ich mache ja auch andere Sachen. Also haben wir gesagt: EAV ist ein Projekt, da rauft man sich wieder zusammen. Aber was macht man nun, bevor man tingeln anfängt, bis die Urne begraben wird, aus der dann auch noch irgendein Ton entfleucht? (lacht) Dann hört man mit Würde auf, so lange es noch geht und leiwand ist. Die Tour ist ja auch gut verkauft, die Leute wollen es also noch. Es ginge also schon noch. Aber wir treten lachenden Auges ab, und die Leute werden weinen.
Thomas Spitzer: Es ist auch eine Energiefrage. Es muss ja ein Leben nach der EAV geben. Die Idee ist dabei nicht ganz so neu, wir überlegen schon seit zehn Jahren. Eigentlich haben wir zu jedem Thema, das diese Erde quält, unsere Meldungen abgegeben. Vor allem gibt es noch ein paar Abenteuer, wo wir noch Energie brauchen. Vielleicht hätten wir auch schon früher aufhören können, aber jetzt ist ein ganz guter Zeitpunkt.
Eberhartinger: EAV ist ja auch ein Korsett. Thomas hat irrsinnig viele Nummern liegen, die nicht auf ein EAV-Album passen. Ich möchte vielleicht medial ein paar Sachen machen. Als Eberhartinger und Spitzer treten wir ja nicht ab, aber das Projekt EAV beenden wir. Ganz sterben lassen wir es aber nicht, es wird auch weiterleben als Legende. Wir haben tolles Feedback bekommen von Leuten, die als Kinder unsere Sachen gehört haben und später bei Konzerten gemerkt haben, dass doch immer ein doppelter Boden da ist.
Spitzer: Die Kurzformel von vielen war: Als Kinder mochten wir euch, zehn Jahre später haben wir euch verstanden. Trotzdem haben wir noch ein durchaus junges Publikum, das gar nicht so heiß ist auf „Küss die Hand...“ und Co. Das ist vielleicht ein später Ritterschlag, wenn man über Jahrzehnte ein bisschen zu Unrecht als Blödel-Combo verkauft worden ist.
Eberhartinger: Aber wir genieren uns nicht für die Hits! Die haben auch ihre Berechtigung gehabt und machen Spaß auf der Bühne.
Spitzer: Wir werden jedenfalls eine gesunde Mischung auf der Abschiedstour machen.
APA: Wenn man vorher weiß, dass man am letzten Album arbeitet, verspürt man dann besonderen Druck?
Spitzer: Eigentlich Entspannung. Man kann nämlich Dinge machen, die man vorher nicht gemacht hat. So haben wir einige sehr nachdenkliche, lyrische Lieder. Und von meiner persönlichen Retrospektive, der „Coolen alten Sau“, möchte ich da gar nicht reden. (lacht) Man traut sich eigentlich mehr, weshalb es sehr entspannt war. Wir sind auch politisch sehr deutlich mit klarer Sprache, gehen aber auch über Schranken, was das Korsett betrifft, das der EAV auferlegt wurde. Es ist ein Album, das uns beiden gut gefällt.
Eberhartinger: Wir der Titel sagt, „Alles ist erlaubt“. Es ist dir ja nicht wurscht, aber was dir wurscht wird: Was irgendwer dazu sagen könnte. Uns muss es passen, uns muss es genügen, das reicht!
APA: Gibt es eine spezielle Nummer, die Ihnen besonders viel Spaß gemacht hat?
Spitzer: Kommen wir gleich zur Schwierigsten: Mein Lieblingslied war von Anfang an das jetzt von Lemo gesungene „Gegen den Wind“ - auch ein Novum, dass ein Sänger der jüngeren Generation ein Lied der EAV singt. Da haben wir uns die Zähne ausgebissen. Zehn Varianten haben wir gemacht, und keine hat uns gefallen - bis ich die Stimme von Lemo gehört habe. Jeder kennt Cervantes‘ „Don Quijote“, gemäß dem Motto: Ich höre nie auf, meinen Träumen zu folgen. Mit offenem Herzen für eine, wenn man so will, liebeserfülltere Welt. Und wo ist der Gag? Den gibt es nicht, wie bei einigen Nummern. In dieser Welt gibt es ja nichts mehr zu überzeichnen, jeder Politiker ist eine Karikatur, die ich nicht mehr erhöhen kann.
Eberhartinger: Lieblingslieder sind für mich immer die letzten, etwa „Rechts Zwo Drei“, weil es sehr gut die Zeit widerspiegelt. Auch da ist kein Gag drauf. Es gibt ja zwei Maximen, die sich die EAV immer auf die Fahne geschrieben hat: Unterhaltung mit Haltung und Kraft durch Bosheit. Das haben wir eigentlich auch immer durchgezogen. Und der Titel „Alles ist erlaubt“ ist ja eine Zustandsbeschreibung der weltpolitischen Situation. Es ist Unglaubliches erlaubt - Sachen die vor zehn, 15 Jahren undenkbar, unsagbar gewesen wären, werden heute so gesagt, angedacht und auch gemacht. Ein Trump wäre vor 15 Jahren, behaupte ich, nicht möglich gewesen. Aber man gewöhnt sich an so Sachen, etwa an Putin oder Erdogan. Das Pendel schwingt gerade nach rechts, rechts rückt in die Mitte und zieht natürlich den extrem rechten Rand mit hinein. Das Pendel wird auch wieder woanders hinschwingen.