Abschied von Musikinstitution EAV 2 - „Man muss rote Linien ziehen“

Wien (APA) - APA: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere immer wieder angeeckt. Ist das immer noch so?...

Wien (APA) - APA: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere immer wieder angeeckt. Ist das immer noch so?

Klaus Eberhartinger: Shitstorms von rechts sind wir ja gewöhnt, da hat man auch schon eine dickere Haut. Die Wetterseite. (lacht) Aber mit dem „Salatisten-Mambo“ gibt es jetzt ein bisschen einen Shitstorm von der Veganer-Seite. Das ist ja nicht nur Ernährung. Jene Veganer, die wir in der Crew haben, sind politisch nicht nur unglaublich korrekt, sondern beinahe radikal. Aber da juckt‘s natürlich, mit der flachen Hand ein bisschen in die zwar vegane, aber doch Scheiße, in den Fladen zu hauen.

Thomas Spitzer: Aber ja, wir ecken natürlich bei rechteren Leuten an. Wenn man da überlegt, was zurückkommt - Stichwort: Vaterlandsverräter. Es gehört einfach die Dialogkultur wieder über die Gürtellinie gehoben. Es gibt keine Grenzen mehr in der Beschimpfung. Da ist nicht nur die Politik gefragt, die diese Verrohung auch vorexerziert, sondern jeder einzelne. Zusammensetzen, reden, nachdenken - das sind Dinge, die ich mir für die Zukunft wünsche. Und zum Glück gibt es bei den jungen Kollegen in diesem schönen Land einige, die wieder nachdenken und Inhalte in ihre Arbeit bringen.

Eberhartinger: Du kannst die Welt von einer Bühne herunter oder mit einem Album nicht verbessern. Aber du musst es probieren! Es geht auch um einen Vorbildcharakter, damit sich die Leute, die in diese Richtung arbeiten, nicht so alleine fühlen. Aber warten darauf, dass alle Leute sich ein Wertesystem zulegen, das anständig ist, das wird es nicht spielen. Man muss rote Linien ziehen, und die gehören auch auf dem freien Feld des Internet gezogen. Hass oder Diskriminierung gehört reglementiert. Was unter diesem Tarnmantel der Anonymität aufbricht...

Spitzer: Gleichzeitig hat es geheißen, wenn wir auf den letzten Alben Kritik an Islamisten oder Fundamentalisten anderer Religionen angebracht haben, dass man das nicht darf. Aber ganz ehrlich: Es gibt verfassungsfeindliche Dinge, es gibt unsere Gesetze, danach muss sich jeder, der hier leben möchte, richten. Das müssen auch meine lieben Freunde von der ganz linken Seite einsehen.

Eberhartinger: Weder die ganz linke, noch die ganz rechte Position kann sich der Kritik entziehen. Beide fühlen sich ja dogmatisch im Recht. Aber die Wahrheit liegt eher im Kompromiss. Man kann auch nicht alles, was sich in Chemnitz oder bei Pegida bewegt, in den rechtsradikalen Bereich hauen - die nützen das aus! Das ist wie ein Stückchen Scheiße, zu dem es alle Fliegen hinzieht. Die schüren den Hass, das machen die Islamisten genauso - und haben die Katholiken auch sehr lange gemacht. Das, was eine Gesellschaft nachhaltig nach vorne bringt, was sie zusammenbringt, das hat Sinn. Alles andere muss überdacht werden. Und ganz ehrlich: Die Migration war ja ein Geschenk. Die AfD wäre ja sonst nie dort, wo sie jetzt ist. Die müssen Hinterzimmer haben, wo sie zu den Flüchtlingen beten, und auf der anderen Seite sagen: Gott erhalte uns die Trotteln, also die Wähler, die das glauben. Sündenböcke haben immer funktioniert. Gleichzeitig kommt wieder der Nationalismus. Nach 70 Jahren haben wir vergessen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist.

APA: Aber sehen Sie, dass das Pendel in nächster Zeit wieder in die andere Richtung ausschlägt?

Eberhartinger: Nein, in nächster Zeit nicht. Du musst ja auch Politik machen. Ich halte Merkel nicht für eine linksliberale Politikerin, aber sie ist immer noch ein Garant, dass das halbwegs ohne Katastrophen zu schaffen ist. Denn ich sehe sonst niemanden. Das ganze Projekt Europa ist im Strudel.

Spitzer: Wäre ich ein Zyniker, würde ich sagen: Ich mache noch 20 Jahre weiter und hinter mir die Sintflut. Schwierig wird es sicherlich für die jüngeren Generationen, weil es da eine Perspektivlosigkeit gibt, die wir in unserer kämpferischen Jugend nicht so gesehen haben.

Eberhartinger: Aber die 20 Jahren haben wir nicht mehr. Alleine, was die Klimakatastrophe betrifft. Hört man auf die glaubwürdigen Wissenschafter, dann ist die Beschleunigung des Raubbaus an der Natur so fortgeschritten, dass wir nur noch drei bis vier Jahre zum „Point of No Return“ haben. Dann wird es wirklich teuer.

Spitzer: Mir würden jedenfalls die Ideen nicht ausgehen. Wir werden uns daher auch weiterhin Gedanken machen, abseits der altehrwürdigen EAV. Vielleicht gibt es ja ein Theaterstück oder ein Kabarettprojekt, wo der Klaus und ich uns noch mal freundschaftlich und inhaltlich treffen und streiten werden.

Eberhartinger: Daher müssen wir auf die Frage, was wir uns von der Zukunft erhoffen, antworten: Hoffentlich, dass sie noch vor uns liegt. (lacht)

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Abschiedstour der EAV ab 4. Februar 2019, Termine und Ticketinfos unter www.eav.at)