Mordprozess in Wiener Neustadt - Geschworene begannen Beratung
Wiener Neustadt (APA) - Im Prozess gegen einen 59-Jährigen wegen Mordes haben sich die Geschworenen am Dienstagnachmittag in Wiener Neustadt...
Wiener Neustadt (APA) - Im Prozess gegen einen 59-Jährigen wegen Mordes haben sich die Geschworenen am Dienstagnachmittag in Wiener Neustadt nach den Schlussplädoyers zur Beratung zurückgezogen. Für die Staatsanwältin war die Schilderung des Angeklagten unglaubwürdig. Die Verteidigung ersuchte um einen Freispruch.
Die Staatsanwältin bezeichnete das vom Beschuldigten beschriebene Verhalten als „völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar“. So sei beispielsweise seine Aussage, er habe aus Ordnungsliebe die Brieftasche der Pensionistin vom Boden aufgehoben, „völlig unplausibel“ - der Wohnungsschlüssel und ein Geschirrtuch lagen laut Tatortfotos noch am Boden. Die Schilderung des Angeklagten von seiner Entdeckung der Leiche lässt sich laut der Staatsanwältin nicht mit den DNA-Spuren in Einklang bringen.
Die Verteidigung führte im Schlussplädoyer ins Treffen, dass in der gesamten Anklageschrift kein Motiv zu finden sei. In der Wohnung befanden sich 5.000 Euro Bargeld, Sparbücher, zwei Uhren und eine Geldbörse mit 40 Euro. Es liege „außerhalb jeglicher Lebenserfahrung“, dass der 59-Jährige, der laut Zeugenaussagen finanzielle Probleme hatte, das Geld nicht genommen hätte.
Auf den ersten Blick sei nicht klar ersichtlich gewesen, dass es sich um einen Mord handle, selbst die Bestatter hatten die 35 Messerstiche nicht sofort gesehen. „Die Ermittlungen sind sehr einseitig geführt worden“, kritisierte der Verteidiger. Zum Auffinden der Leiche wurde der 59-Jährige erst sieben Monate später befragt. Wo sein Mandant die Tote berührt habe, „weiß er nicht mehr“.
Der Verteidiger sprach von „Ermittlungsfehlern“ und meinte, es sei „schlampig vorgegangen worden“. Er bezeichnete es als „völlig unverständlich“, dass die Leiche vor Eintreffen der zuständigen Polizisten bewegt wurde, weil man dadurch Spuren vernichten könne. Der Angeklagte habe das Opfer aufgefunden und dabei berührt, aber „es gibt keinen Beweis“, dass er die Frau mit 35 Messerstichen ermordet haben soll.
„Ich bin wirklich unschuldig und bitte Sie um Gerechtigkeit“, sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort unter Tränen. Anschließend gingen die Geschworenen in Beratung. Zu beantworten waren neben der Hauptfrage nach Mord eine weitere zu falscher Beweisaussage sowie eine Zusatzfrage zu Aussagenotstand. Der 59-Jährige hatte in einer Vernehmung als Zeuge angegeben, dass er noch nie in der Wohnung des Opfers gewesen sei.
Die Geschworenen gingen gegen 15.45 Uhr in Beratung. Ein Urteil wurde für den Abend erwartet.