Scheidung der Eltern: Die heile Welt plötzlich kaputt
Wenn die Eltern sich trennen, leiden die Kinder oft am meisten. Sie können die Trennung dennoch gut überstehen – etwa mithilfe der tirolweiten Rainbows-Gruppen.
Von Evelin Stark
Innsbruck –Mehr als 40 Prozent der Ehen werden heutzutage in Österreich geschieden. Darunter leiden nicht nur die ehemaligen Liebespartner: Letztes Jahr allein waren laut Statistik Austria bundesweit 18.425 Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.
Zunächst stellt die Trennung für die betroffenen Kinder eine Tragödie dar. Wenn Mama oder – wie in den meisten Fällen – Papa auszieht, geht für das Kind unwiederbringlich eine Epoche zu Ende. Das Leben wird nie mehr so sein wie vorher. Seine Eltern mögen eine Welt verlieren, das Kind verliert seine ganze Welt. Hinzu kommt die große Unsicherheit, die besonders das kleine Kind in seinem Innersten empfindet: Wenn der eine geht, warum nicht auch der andere? Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann?
„Kinder haben oft Angst davor, zu sagen, wie es ihnen wirklich geht“, sagt Malu Span. Sie ist die Tiroler Bereichsleiterin für Trennung und Scheidung bei Rainbows. Der bundesweit tätige Verein betreut seit 1991 Kinder und Jugendliche nach der Trennung, Scheidung oder auch dem Tod. „Die Kinder fürchten sich vor den Konsequenzen, denn ihnen ist am wichtigsten, dass es zu Hause fein ist“, erklärt Span weiter. Deshalb würden sie die Eltern lieber davor schützen wollen, ihnen zu sagen, dass es ihnen nicht gut gehe. In den letzten Jahren, sagt sie, sei allerdings das Bewusstsein der Eltern dafür gestiegen, dass die betroffenen Kinder Unterstützung benötigen.
Wie es dazu kommen kann, dass in vielen Fällen die Kinder zu den Leidtragenden einer Scheidung werden, weiß auch Karin Urban. Die Psychologin und Ehe-, Familien- und Lebensberaterin berät im Innsbrucker Zentrum für Ehe- und Familienfragen häufig Scheidungsfamilien. „Die Eltern verlieren leicht die Kinder aus dem Blick, denn sie befinden sich selbst in einer schmerzlichen Situation, mit der sie zu kämpfen haben“, sagt Urban. In der Folge falle ihnen die Trennung zwischen der Paar- und der Eltern- ebene schwer. Diese Trennung brauche es aber, um dem Kind die nötige Sicherheit zu vermitteln, dass sie weiterhin seine Eltern bleiben, auch wenn sie sich als Paar trennen.
Was man auch wissen sollte: Kinder suchen die Schuld für die Scheidung ihrer Eltern häufig bei sich: „Hätte ich doch mehr aufgeräumt, hätte es auch nicht immer diesen Streit gegeben.“ „Wäre ich doch besser in der Schule gewesen …“ Oder: „Weil ich da bin, haben sie sich ständig gestritten.“ Deshalb sei es umso wichtiger, den Nachwuchs ernst zu nehmen und ihm zu erklären, dass man sich trennt und warum, sagt Urban. Und vor allem, dass das Kind nicht daran schuld sei. „Es muss auch Raum für die Fragen der Kinder geben und ehrlich über die Trennungsabsichten gesprochen werden.“
Natürlich spielen hierbei auch das Alter und die Entwicklung eine Rolle. Mit dreijährigen Kindern redet man anders als mit einer 14-Jährigen. „Ein Kleinkind sieht sich als Zentrum der Welt. Wenn der Vater auszieht, ist es für das Kind so: Der Papa verlässt mich“, sagt Span. Bei manchen Kindern sei dieses Verlustgefühl so stark, dass sie Verhaltensauffälligkeiten wie Daumenlutschen oder Bettnässen entwickeln. Je älter die Kinder seien, desto mehr würden sich bei ihnen Schuldgefühle entwickeln.
Hilfe und Unterstützung erhalten Scheidungskinder zwischen vier und 17 Jahren tirolweit in Form der „Rainbows-Gruppen nach Trennung und Scheidung der Eltern“, die Mitte Oktober wieder starten. In den Kleingruppen werden die Kinder über einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten dabei unterstützt, mit der neuen Familiensituation zurechtzukommen: „Zu merken, dass sie nicht allein sind, hilft ihnen sehr“, so Span. Begleitend zur Rainbows-Gruppe gebe es drei Gespräche mit den Elternteilen.
Infos und Anmeldung: www.rainbows.at/tirol