Anstieg der Privatkonkurse aus Sicht der Schuldnerberater gut
Wien (APA) - Aus Sicht der Schuldnerberatungen ist der Anstieg der Privatinsolvenzen seit der Einführung neuer Privatinsolvenzregeln im Nove...
Wien (APA) - Aus Sicht der Schuldnerberatungen ist der Anstieg der Privatinsolvenzen seit der Einführung neuer Privatinsolvenzregeln im November 2017 kein schlechtes, sondern ein gutes Zeichen. Auch das immense Plus bei den Passiva sei „keine schlechte Nachricht: Die Zahlen sind eine gute Nachricht, weil mehr Menschen im wirtschaftlichen Sinn ein Neustart gelingt“, so Schuldnerberater Clemens Mitterlehner.
Grundsätzlich sei man durch Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG 2017) dort angekommen, wo man ankommen sollte, sagte der Chef der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen am Mittwoch im Gespräch mit der APA in Reaktion auf die aktuellsten Privatinsolvenzzahlen vom KSV 1870 hochgerechnet für die ersten drei Quartale heuer. Jetzt könnten Menschen, die ein geringes Einkommen haben und bisher nicht in der Lage gewesen seien, ihre Schulden zu regeln, die Hürde schaffen. Durchs IRÄG 2017 ist beispielsweise die vorher verpflichtende 10-Prozent-Quote gefallen, wodurch sich auch Menschen leichter entschulden können, die einen besonders großen Schuldenberg haben - etwa weil sie früher Unternehmer waren.
Heuer würden wohl 10.000 Privatinsolvenzverfahren eröffnet werden, schätzt Mitterlehner. Für kommendes Jahr rechnet er mit einem Abebben auf rund 8.000 Eröffnungen insgesamt. Einen „Gratiskonkurs“, wie dies Kritiker oft behaupteten, gebe es jedenfalls nicht. Der Schuldnerberater weist aber auch darauf hin, dass es weiterhin Menschen gebe, die ihre Schulden nicht regeln könnten. „Auch wenn jemand keine Quote zurückzahlen kann, sind die Verfahrenskosten zu begleichen. Das sind 20 Euro im Monat. Das klingt nicht viel. Aber wenn man bei Strom und der Miete im Rückstand ist, dann kauft man vor der Schuldenregulierung von den 20 Euro eher Lebensmittel. Wenn man um die Existenz, ums Überleben und etwa eine beheizte Wohnung kämpft, dann wird alles andere überlagert. Leider gibt es viel zu viele Arme in einem reichen Land wie Österreich.“
Wie hoch nun die durchschnittliche Quote sei, die Schuldner im Verfahren zahlten, könne man noch nicht sagen, so Mitterlehner. Die Abschöpfungsverfahren laufen fünf Jahre. Die ersten nach den neuen Regeln wurden im vorigen November eröffnet. „Was wir schon merken ist, dass der Anteil jener, die kaum etwas - also nur die Verfahrenskosten - zahlen, steigt.“ Die neuen Regeln hätten auch dazu geführt, dass sich mehr Pensionisten entschulden könnten, so der Schuldnerberater.
„Ein großes Problem“ aus sozialpolitischer Sicht sei der Unterschied der Höhe des gültigen Existenzminimums und der Armutsgefährdungsschwelle. „Die Differenz ist nach wie vor zu hoch“, kritisiert Mitterlehner. Das Existenzminimum für einen Alleinstehenden mit 14 Bezügen beträgt heuer 909 Euro. Dieses Minimum trifft alle im Privatkonkurs und auch Menschen, die von Lohnpfändungen betroffen sind. Die Armutsgefährdungsschwelle liege aber bei 1.250 Euro, so Mitterlehner. „Die 300 Euro Differenz bedeuten, dass jeder im Privatkonkurs oder von Lohnpfändung Betroffene automatisch armuts- und ausgrenzungsgefährdet ist.“ Alleinstehenden und noch viel mehr Familien mit Kindern würden Chancen genommen, so die Kritik.
„Das Existenzminimum muss in Richtung Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden. So können viele soziale Probleme abgefedert werden.“ Zudem gebe es zu den 909 Euro in Österreich für ein Kind zusätzlich nur 181 Euro. In Deutschland gebe es für ein Kind 430 Euro, kritisiert Mitterlehner im Gespräch mit der APA.