Autorin des Ungarn-Berichts fordert aktive Rolle von Kurz
Wien (APA) - Die Autorin jenes Berichts des EU-Parlaments, der die Basis eines möglichen Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn bildet, fordert B...
Wien (APA) - Die Autorin jenes Berichts des EU-Parlaments, der die Basis eines möglichen Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn bildet, fordert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, das Thema auf die Agenda des nächsten EU-Rates zu setzen. Nach der ÖVP-Zustimmung zum Verfahren im EU-Parlament wäre ein solcher Schritt „völlig logisch“, sagte Judith Sargentini am Mittwoch im Gespräch mit der APA.
Sie habe sich zwar „sehr gefreut“, dass der derzeitige Ratsvorsitzende Kurz das Verfahren öffentlich unterstützt habe. Wenn die ÖVP das Thema jetzt aber „schleifen“ lasse, „hätte die FPÖ (...) moralisch gewonnen“, sagte die niederländische EU-Mandatarin der Grünen am Rande des Wiener Grundrechte-Forums. Es wäre für die ÖVP auch „ernsthaft ungesund“, in den EU-Wahlkampf zu gehen, ohne das Thema „angegangen und gelöst“ zu haben, meinte Sargentini. Anders als die Abgeordneten der ÖVP hatten jene der FPÖ im EU-Parlament gegen ein Verfahren gegen Ungarn gestimmt. Die Abstimmung gewannen die Befürworter des Verfahrens mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Ball liegt jetzt beim EU-Rat, der über das weitere Vorgehen zu entscheiden hat.
Hinsichtlich der Bedenken, dass die notwendigen Mehrheiten im Rat nicht erreicht werden könnten, meinte Sargentini, dass die Staats- und Regierungschefs die Abstimmung im Parlament „sehr ernst“ nehmen müssten. Eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten „von links bis rechts“ aus allen 28 Mitgliedsstaaten habe für das Verfahren gestimmen, darunter mit EVP-Chef Manfred Weber auch jener „Mann, der (EU-Kommissionspräsident, Anm.) Jean-Claude Juncker beerben will.“ Wenn die „Sache nicht aufgeht, dann hat es etwas mit politischem Willen zu tun“.
In Ungarn selbst werde der Bericht über die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung von EU-Grundwerten auf Regierungsebene nichts verändern, meint die Europaparlamentariern. Man richte sich aber auch nicht an die ungarische Regierung, die ohnehin „nicht zuhören“ würde, sondern an den Rat. Allerdings bekomme sie zahlreiche Zuschriften aus der ungarischen Bevölkerung, in denen ihr Dank ausgedrückt werde. Auch jüngste Umfragen würden zeigen, dass viele Ungarn dem Bericht etwas abgewinnen könnten. „Es gibt viele Menschen, die sich dadurch unterstützt fühlen, dass Menschen für sie eintreten, und das EU-Parlament Solidarität zeigt.“ Es sei auch ein Zeichen für „Menschen in anderen EU-Staaten, die ähnliche Dinge fürchten.“
Die ungarischen Einwände gegen ihren Bericht weist Sargentini allesamt zurück. In ihrem Bericht gebe es, anders als von der ungarischen Regierung behauptet, „keine Fehler“. Sie habe sich ausschließlich auf Quellen berufen, die „niemand ernsthaft in Zweifel ziehen kann“. Ihr Bericht sei kein „grünes Pamphlet“, sondern eine „gründliche“ Auflistung der bestehenden Probleme. Die ungarische Regierung behauptet, sie habe den Kontakt mit den Behörden nicht gesucht. „Das habe ich versucht, und das wissen sie auch.“ Es gehe auch nicht darum, Ungarn herauszupicken und als einziges EU-Land neben Polen an den Pranger zu stellen. Das EU-Parlament befasse sich auch intensiv mit der Rechtstaatlichkeit in Rumänien, oder mit der Pressefreiheit in der Slowakei und in Malta. Aber die ungarische Regierung würde „alles versuchen“, um den Bericht und die Abstimmung zu diskreditieren und schrecke dabei auch nicht vor Diffamierungen gegen ihre Person zurück.
Für die Zukunft wünscht sich Sargentini die Implementierung zusätzlicher Sanktionsmechanismen bei Verletzungen von Grundrechten. „Absolut interessant“ sei etwa der Vorschlag, Kohäsionsmittel an die Einhaltung von Rechtstaatlichkeit zu knüpfen. Zwar müsse man darauf achten, dass die Bevölkerung nicht darunter leide, man könne aber argumentieren, dass die Kohäsionsmittel in Ungarn ohnedies nicht bei der Bevölkerung ankommen, sondern in die „Taschen der Familie von Orban“ fließen würden.
(Das Gespräch führte Roman Kaiser-Mühlecker/APA)
~ WEB http://www.europarl.europa.eu/portal/de ~ APA361 2018-09-26/14:43