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„Gegenteil von Zensur“: Kickl wies Vorwürfe strikt zurück

Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).
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„Weder die Presse- noch die Meinungsfreiheit wird von irgendeiner staatlichen Institution oder einem seiner Mitarbeiter in Zweifel gezogen oder infrage gestellt“, erklärte der Innenminister.

Wien – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage der NEOS zum umstrittene Schreiben des Innenministeriums zur Kommunikationsstrategie der Polizei alle Vorwürfe scharf zurückgewiesen. „Weder die Presse- noch die Meinungsfreiheit wird von irgendeiner staatlichen Institution oder einem seiner Mitarbeiter in Zweifel gezogen oder infrage gestellt“, betonte Kickl.

Dies gelte „auch für das Bundesministerium für Inneres“, sagte der Minister, der der Opposition in einer recht emotional gehaltenen Rede eine bewusste Missinterpretation des Schreibens vorwarf: „Diese Interpretation, das Aufplustern, (...) das Ausrufen des Staatsnotstandes, das ist auf ihrem Mist gewachsen (...) und entbehrt jeden Tatsachensubstrats“, so Kickl. Diejenigen, die den Vorwurf des Beschneidens der Pressefreiheit erheben, seien dieselben, die ihm etwa „vor kurzem unterstellt haben, das BVT bewaffnet gestürmt zu haben“, sagte der Minister. Diese Vorwürfe würden in das Konzept der Opposition passen, „aber es sind keine Tatsachen“.

E-Mail war keine Weisung

Scharfe Kritik übte Kickl auch daran, dass NEOS und SPÖ am Vortag kritisiert hatten, er wolle sich bei der Beantwortung der „Dringlichen“ durch Staatssekretärin Karoline Edstadler (ÖVP) vertreten lassen - eine Annahme, die sich später als eine irrtümliche Meldung seitens des Kanzleramtes herausgestellt hatte. „Wenn jetzt behauptet wird, es gäbe einen Maulkorb, eine Infosperre, einen Medienboykott oder einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit, so ist das alles Schein und hat mit Sein nichts zu tun – und ist genauso falsch, wie Sie gestern behauptet haben, ich käme nicht hierher um mich dem zu stellen“, so der Innenminister.

Das E-Mail sei von Ressortsprecher Christoph Pölzl verfasst worden, antwortete Kickl auf die erste der insgesamt 52 Fragen. Das E-Mail sei auch keine Weisung gewesen: „Glauben Sie wirklich, dass Beamte untereinander nur in Form von Weisungen kommunizieren? Wie weltfremd ist denn das?“, fragte Kickl. „Es kann auch gar keine Weisung sein, weil der Mitarbeiter in seiner Funktion gar keine Weisung erteilen kann.“ Dies würden auch alle Empfänger dieses Schreiben genau wissen.

„Das Gegenteil von Zensur“

Zum Inhalt des Mails meinte Kickl, das Schreiben habe mit Einschränkung der Pressefreiheit überhaupt nichts zu tun: „Wissen Sie, es findet sich inhaltlich in diesem fünfseitigem Text kein einziges Wort in Richtung Infosperre, in Richtung Boykott, (...) kein einziger dieser Begriffe kommt vor.“ Vielmehr sei das Schreiben ein „eindeutiger Verweis auf die rechtlich vorgesehene Auskunftspflicht“. Und zwar gegenüber allen Medien, „auch gegenüber denen, die als kritisch bezeichnet werden“, betonte Kickl. „Lesen Sie den Text durch, sinnerfassend, dann werden Sie draufkommen, dass das, was da drinnen steht, das Gegenteil von Zensur ist – weil es ist der Verweis auf die Auskunftspflicht.“

Kein Verständnis zeigte Kickl auch für die oppositionelle Kritik an der in dem Schreiben formulierten Empfehlung, grundsätzlich die Nationalität von mutmaßlichen Tätern zu nennen und in der Öffentlichkeit begangene Sexualdelikte verstärkt zu kommunizieren. Er glaube, die Kritiker wüssten nicht, was sie wollen: „Denn zum einen werfen Sie uns vor, dass wir eine angebliche Informationssperre ausrufen, wo wir doch nur sagen, dass wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten.“ Und dort, wo man mehr Transparenz wolle - bei der Nationalität von Straftätern - „da werfen Sie uns plötzlich vor, dass wir zu viel Informationen nach draußen geben“, so Kickl. „Wir tun das Gegenteil von Vertuschen und Verharmlosen, was viel zu lange in diesem Land betrieben worden ist“, meinte er.

Mit Ressortsprecher Pölzl habe er über das E-Mail gesprochen und ihm gesagt, dass er die Formulierungen nicht teile – und zwar deshalb, „weil er damit das Tor aufgemacht hat, das Missinterpretationen Raum gibt. Aber aus dieser Möglichkeit dann das Unterstellen der bösen Absicht zu machen, dass ist die Verantwortung anderer“, sagte er in Richtung Opposition.

Scherak: „Frontalangriff auf die Pressefreiheit“

An seinen Vorredner und den Einbringer der Dringlichen, NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak, gerichtet sagte Kickl, „das, was wir hier tun, ist das Gegenteil von Zensur“, sondern „das Erfüllen des Transparenzbedürfnisses“ der Bevölkerung.

Scherak hatte zuvor von einem „Frontalangriff auf die Pressefreiheit“ gesprochen, für die selbstverständlich Kickl selbst verantwortlich sei. „Er ist der Chef und alles was im Ministerium passiert, liegt in dessen Verantwortung.“ Die von Kickl vorgenommene „Distanzierung“ ändere grundsätzlich nichts an der Problematik. Hinter dem Vorgehen stecke ein „System“, so Scherak, das einen Namen habe, nämlich „Viktor Orban“: „Zuerst Medien einschüchtern, dann zurückrudern und den Schaden bewusst in Kauf zu nehmen.“ Er frage sich, „was für ein gestörtes Verhältnis“ Kickl zur Pressefreiheit habe. Das Hauptproblem an der ganze Sache sei, es gehe hier nicht nur um jene Medien, die in dem E-Mail als kritisch angesprochen wurden: „Das Problem ist, dass alle Medien in Verruf geraten. Denn entweder sie spuren oder wir schneiden sie von Informationen ab“, sei die Botschaft. Die Medien würden sich in Zukunft natürlich „ganz genau überlegen, was sie schreiben, weil sie dann keine Informationen mehr bekommen“, so die Befürchtung des NEOS-Mandatars.

ÖVP ging auf Distanz

Die ÖVP hat in der Debatte der „Dringlichen Anfrage“ der NEOS deutliche Distanz zum Vorgehen des Innenministeriums durchschimmern lassen. Den von den NEOS eingebrachten Misstrauensantrag wird man dennoch nicht unterstützen.

Sicherheitssprecher Werner Amon kritisierte das Schreiben des Innenressorts, da Kritik der Medien zwar unangenehm sei, man diese aber in einer Demokratie aushalten müsse: „Das ist das Wesen eines freien Landes.“ Misstrauen will man Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nicht, da dieser mittlerweile klar gestellt habe, dass die entsprechenden Medien-Leitlinien an die Polizeistellen überarbeitet werden. Die Frage, welche personelle Konsequenzen der Minister in seinem Ressort ziehe, stelle sich angesichts solch eines heiklen Mails schon, meinte Amon. Schließlich schickte noch er eine literarisch angehauchte Warnung in Richtung Kickl nach: „Vertrauen erschöpft sich dadurch, dass man es in Anspruch nimmt“, zitierte der schwarze Mandatar aus Bertolt Brechts „Leben des Galilei“.

Justizsprecherin Michael Steinacker zeigte auch Distanz zur Vorgabe, die Nationalität von Verdächtigen grundsätzlich zu nennen.

Gudenus: Asylwerbern unter den Tätern „explodiert“

Freilich waren ÖVP und FPÖ auch bemüht darzustellen, dass ein einschränkender Umgang mit Medien nicht so selten vorkomme. So verwies Amon etwa darauf, dass die Liste Pilz am Wahlabend den ORF wegen zu kritischer Berichterstattung im Vorfeld zunächst nicht zur Wahlfeier eingelassen hat. Der geschäftsführende FPÖ-Klubchef Johann Gudenus erinnerte an ein Papier aus dem Büro des damaligen Kanzlers Christian Kern (SPÖ), wonach man wegen unliebsamer Berichterstattung diverse ORF-Auftritte auslassen sollte.

Gar nichts dabei findet Gudenus, dass man die Nationalität von Tätern kommuniziere. Die Opposition wolle nur verheimlichen, dass der Anteil an Asylwerbern unter den Tätern „explodiert“ sei.

Opposition kontra Kickl

NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper glaubt, dass gerade hier die Stimmung im Land durch gezielte Manipulation beeinflusst werden soll: „Sie hetzen die Menschen gegeneinander auf, weil sie und ihre Gesinnungsgenossen von Angst und Zwietracht leben, die sie selbst gesät haben.“ Kickl bezeichnete sie als „Wolf im Wolfspelz“ sowie als „Sicherheitsrisiko“.

Empört über das Vorgehen des Innenressorts zeigte sich der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Er sprach bezüglich des Vorgehens des Ministeriums von einem Angriff auf die demokratische Republik. Kickl werde aber mit der strikten Gegnerschaft der SPÖ rechnen müssen.

Misstrauensanträge abgelehnt

Auch Pilz versuchte große Dimensionen herzustellen. Wie in anderen Staaten würden rechtsgerichtete Parteien versuchen, zunächst den Sicherheitsdienst zu übernehmen und danach Druck auf unabhängige Justiz und unabhängige Medien auszuüben. Freilich unterschied auch Pilz zwischen den Medien. Denn er hielt Journalisten kleinformatiger Blätter vor, mit dem Innenressort für exklusive Geschichten oder „Begleitungen“ Gegengeschäfte einzugehen, die dann dem Minister positive Berichterstattung sichern würden. Pilz sieht das als Anfüttern und versuchte Gleichschalten der Presse.

Die Misstrauensanträge der Opposition gegen Innenminister Herbert Kickl waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Koalition schmetterte am Abend die gemeinsam von NEOS und SPÖ getragene Initiative ebenso ab wie jene der Liste Pilz. (APA)

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