Hardware-Nachrüstung alter Dieselautos bringt viel - auch Probleme

Frankfurt (APA/AFP) - Autohersteller und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) haben sich lange mit Händen und Füßen gegen die Hardware-Nac...

Frankfurt (APA/AFP) - Autohersteller und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) haben sich lange mit Händen und Füßen gegen die Hardware-Nachrüstung von Diesel-Autos gewehrt. Nun zeichnet sich unter dem Druck der Öffentlichkeit eine teilweise Kehrtwende ab. Zwar setzt Scheuer weiter darauf, dass Autobesitzer ihre Fahrzeuge gegen neuere Modelle eintauschen, schließt aber Hardware-Nachrüstungen nicht mehr aus.

WIE FUNKTIONIERT DIE HARDWARE-NACHRÜSTUNG?

Bei der Nachrüstung wird ein sogenanntes SRC-System in das Fahrzeug eingebaut. Dabei wird aus einem separaten Tank Harnstofflösung (Markenname Adblue) in die Abgasleitung eingespritzt. Der Harnstoff reagiert dann im Katalysator mit den gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx) im Abgas. Diese werden in ungefährliches Wasser und Stickstoff zersetzt.

WIE EFFEKTIV IST DIE NACHRÜSTUNG?

Experten schätzen, dass ein SCR-System bis zu 90 Prozent der Stickoxide aus dem Abgas entfernt. Ein aktueller Langzeittest des ADAC zeigt ersten Ergebnissen zufolge Reduktionen um rund 70 Prozent. Damit sind die Katalysatoren viel effektiver als die Software-Updates, auf die die Autoindustrie bisher setzt. Diese reduzieren NOx nur um 20 bis 30 Prozent. Durch SCR-Systeme könnten viele Dieselfahrzeuge die Schadstoff-Grenzwerte einhalten und dürften somit von Fahrverboten ausgenommen werden.

PASST DAS SYSTEM INS ALTE AUTO?

Die Autobauer sagen, dass in vielen Autos gar kein Platz dafür wäre. Der Verband des Kfz-Gewerbes, in dem auch die Werkstätten organisiert sind, widerspricht: Die Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen sei für die deutliche Mehrheit der Flotte technisch machbar. Anbieter von Nachrüsttechnik zufolge können auch Euro-4-Diesel damit ausgestattet werden.

WAS KOSTET DIE NACHRÜSTUNG?

Das ist von Auto zu Auto unterschiedlich. Der ADAC schätzt die Kosten auf 1400 bis 3300 Euro pro Fahrzeug. Der Verkehrsminister und Autohersteller nennen zum Teil deutlich höhere Kosten - ihr erklärtes Interesse ist es aber auch, Nachrüstungen möglichst zu verhindern.

Umstritten ist, wer bezahlen soll: Hersteller, die eine gültige Zulassung für ihre Autos haben? Verbraucher, die diese Autos in gutem Glauben kauften? Oder der Staat, der die Verbreitung des Diesel stark fördert?

WAS SIND NACHTEILE DER NACHRÜSTUNG?

Das SCR-System braucht Strom, was den Kraftstoffverbrauch erhöht. Außerdem muss das Adblue immer wieder aufgefüllt werden, was zusätzliche Kosten verursacht.

Des Weiteren würde es noch einige Zeit dauern, bis serienreife Systeme im großen Stil angeboten werden können. „Um Nachrüstsysteme zuzulassen, benötigt man eine nationale Prüfrichtlinie, auf deren Grundlage diese Systeme entwickelt, zugelassen und eingebaut werden können“, sagt der Leiter des ADAC Technikzentrums, Reinhard Kolke. In dieser Richtlinie wären Minderungen oder Zielwerte definiert, die im Labor oder zusätzlich auf der Straße zu erreichen sind.

Darauf müssten die Hersteller und Nachrüster ihre Systeme anpassen. Das Verkehrsministerium geht Medienberichten zufolge davon aus, dass der ganze Prozess 18 Monate dauern würde. Schließlich könnte die Regierung nur deutschen Autobauern die Nachrüstung vorschreiben - auf ausländische Hersteller habe er keinen Zugriff, sagt Scheuer.

WARUM WEHREN SICH DIE AUTOBAUER?

Den Konzernen geht es ums Geld. Zum einen wollen sie nicht für den Einbau der Katalysatoren aufkommen, zum anderen wollen sie keine Garantie dafür übernehmen, dass das Auto hinterher einwandfrei funktioniert.

WAS IST DIE BEVORZUGTE LÖSUNG DER AUTOBAUER?

Die Besitzer alter Diesel sollen diese nach dem Willen der Autobauer schnell gegen Dieselautos der neuesten Generation eintauschen, die die Grenzwerte tatsächlich auf der Straße einhalten. Das Umweltbundesamt warnt aber, dass das nur auf Autos der neuesten Euronorm 6d (TEMP) zutrifft.