Die USA und der Iran - Große Worte und wenig Alternativen
New York (APA/dpa) - Hassan Rouhani hat etwas geschafft, was er vielleicht gar nicht angestrebt hatte: Kein anderes Land macht bei den Verei...
New York (APA/dpa) - Hassan Rouhani hat etwas geschafft, was er vielleicht gar nicht angestrebt hatte: Kein anderes Land macht bei den Vereinten Nationen in der Woche der Generalversammlung so viele Schlagzeilen wie der von ihm repräsentierte Iran - vom Gastgeber USA einmal abgesehen. Die Sitzungswoche der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen ist zu einer Art Stellvertreterveranstaltung für einen der großen Konflikte der Weltpolitik geworden.
Die Vereinigten Staaten gegen den Iran. Christliches Abendland gegen islamisches Morgenland. Aufwändiger Luxus gegen zur Schau getragene Bescheidenheit. Ölexporteur gegen Ölexporteur. Donald Trump gegen Hassan Ruhani.
Der Konflikt mit dem Iran ist für US-Präsident Donald Trump zur wichtigsten außenpolitischen Fragestellung geworden. Entsprechend große Geschütze fahren die Amerikaner in New York auf. Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo geben ihre sehr eindeutige Sicht auf die Dinge bei einem eigens einberufenen Iran-Gipfel zum besten. Am Freitag will das US-Außenministerium noch einmal die Menschenrechtslage thematisieren.
Der Iran ist der Hauptbestandteil in Trumps UN-Rede. Die Sitzung im Weltsicherheitsrat nutzte der US-Präsident am Mittwoch ebenfalls für eine verbale Breitseite. Teheran sei „der Hauptsponsor von Terrorismus weltweit“ und exportiere „Gewalt, Terror und Konflikt“. Niemals dürfe der Iran eine Atombombe besitzen.
Dass auch Benjamin Netanyahu, Israels streitbarer Ministerpräsident, bei seiner Rede am Donnerstag einen Gutteil der Zeit auf den Erzfeind verwenden wird, gilt als sicher. Schließlich ist Israel eines der wenigen der 193 Länder der Vereinten Nationen, die voll hinter Trumps extrem konfrontativer Iran-Politik stehen. Trump kann auf Israel und Saudi-Arabien setzen. Auf die Verbündeten aus Europa eher nicht.
Trump forderte alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auf, die USA zu unterstützen - eine klarer Wink in Richtung Europäischer Union. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte erst zwei Tage vorher eine Initiative vorgestellt, die das Ziel hat, den Atomdeal mit dem Iran am Leben zu halten und US-Sanktionen teilweise zu umgehen. Auf die Frage, was er davon halte, gibt sich Trump demonstrativ zuversichtlich: „Die Europäer werden sich sehr gut benehmen, Ihr werdet schon sehen.“
Als Mogherini ihren Plan verkündet, steht Mohammad Javad Zarif neben ihr auf dem Podium, der iranische Außenminister. Ein Bild, das der Führung in Teheran in die Karten spielen dürfte: Der Iran eingebettet in die Gemeinschaft, Amerika die Stirn bietend - so könnte man es zumindest interpretieren. „Isolation“ jedenfalls, wie sie Trump von den Verbündeten fordert, sieht anders aus.
Die Europäer, vom Atomdeal und seiner zähmenden Wirkung auf den Iran überzeugt, stehen vor einer Herausforderung. Sie wollen den Pakt aufrechterhalten und sind bereit, dafür viel zu tun. Aber sie wollen auch nicht verschwiegen haben, dass die US-Kritik am Iran keineswegs unberechtigt ist - wenngleich in Teilen rhetorisch überzogen.
In Berlin, London oder Paris rollen die Augen, wenn Trumps Sicherheitsberater John Bolton am Rande der UN-Vollversammlung Sätze sagt, wie: „Der Atomdeal ist das schlimmste Debakel in der Geschichte der US-Diplomatie.“ Aber dort weiß man auch: Der Iran ist nicht gerade zimperlich, wenn es um die Unterstützung von Terroristen geht, wenn die Einmischung in Syrien und im Jemen zu diskutieren ist, die Bewaffnung von Assad-Truppen - und wenn man über Provokationen und Drohgebärden gegenüber Israel spricht.
US-Außenminister Mike Pompeo zeigte am Dienstag offen, was er von der Haltung der Europäer hält: Nichts. „Das ist eine der denkbar kontraproduktivsten Maßnahmen für regionalen und globalen Frieden und Sicherheit“, sagte er über den Umgang der EU mit dem „Verbrecherregime“.
Sicherheitsberater Bolton stößt sogar offene Drohungen aus: „Das mörderische Regime und seine Unterstützer werden bedeutenden Konsequenzen gegenüberstehen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändern. Lassen sie meine Botschaft heute deutlich sein: Wir beobachten, und wir werden hinter Euch her sein.“
Für einige Beobachter klingt das alles schon wie Kriegsrhetorik. Trump behaupte zwar, er wolle gute Beziehungen, sagt Jamal Abdi, vom Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rat, einer Lobbyorganisation für die gegenseitigen Beziehungen. „Aber mit dem Versprechen neuer Sanktionen und der Aufforderung zur Isolation hat er nicht viel mehr getan, als die Vereinigten Staaten weiter auf dem Weg in Richtung eines Krieges zu ziehen“, sagt Abdi.
Tatsächlich zwingt sich Trump mit seiner Politik des Drucks auf Teheran selbst in eine Eskalationsspirale. Eine Gruppe von mehr als 50 ehemaligen Politikern, Botschaftern, Militärs und Fachleuten, darunter Ex-Außenministerin Madeleine Albright, hat am Montag einen sorgenvollen Brief in Sachen Iran veröffentlicht. Der Rückzug aus dem Atomabkommen habe für die USA keinerlei strategischen Vorteil gebracht. „Weil es keine politischen Versuche gibt, den Iran zur Erfüllung von zwölf Forderungen zu bringen, stellt man den Iran vor die Alternative: Kapitulation oder Krieg“, heißt es in dem Papier.