Showdown im US-Senat - Trumps Richter und die Suche nach der Wahrheit

Washington (APA/dpa) - Wer ist Brett Kavanaugh wirklich? Der Wunschkandidat von US-Präsident Donald Trump für den Supreme Court gibt sich se...

Washington (APA/dpa) - Wer ist Brett Kavanaugh wirklich? Der Wunschkandidat von US-Präsident Donald Trump für den Supreme Court gibt sich selbst als arbeitsamer, aufrichtiger und zutiefst anständiger Mann. Als braver und aufrechter Intellektueller, als unabhängiger Richter von höchster moralischer Integrität. Als liebevoller Vater und treuer Ehemann.

Und als einer, der seine Zeit in der Highschool und an der Universität vor allem damit verbrachte, zu lernen, Sport zu machen - und sonntags in die Kirche zu gehen.

Doch mehrere Frauen zeichnen ein anderes Bild von ihm - aus vergangenen Zeiten, Anfang der 80er Jahre, in der High School und seinen ersten Jahren an der Uni. Diese Frauen berichten von ausschweifenden Partys und einem Brett Kavanaugh, der Grenzen weit überschritten habe: Er soll sich bei Partys damals exzessiv betrunken und immer wieder Frauen sexuell belästigt haben.

Da ist die Rede von Hauspartys, bei denen junge Männer angeblich Frauen mit Alkohol abfüllten, um sie willenlos zu machen und danach im Nebenzimmer zu vergewaltigen. Bei solchen Partys soll Kavanaugh gewesen sein. Und: In einem anderen Fall, noch in der Schulzeit, soll er selbst versucht haben, eine junge Frau zu vergewaltigen.

Die Frau, die diesen schweren Vorwurf erhebt, ist Christine Blasey Ford. Die 51-Jährige ist heute Psychologie-Professorin an einer Universität in Kalifornien. Sie kennt Kavanaugh aus der Schulzeit und beschuldigt ihn, er habe sie Anfang der 80er Jahre am Rande einer Schülerparty attackiert: Er habe sie auf ein Bett geworfen, versucht, sie auszuziehen und ihr dabei den Mund zugehalten, um sie am Schreien zu hindern. Ein Freund Kavanaughs, Mark Judge, soll damals mit im Raum gewesen sein. Ihr sei am Ende gelungen, zu flüchten, berichtet Ford. Aber der Vorfall habe sie jahrelang zutiefst verstört. Kavanaugh bestreitet das. Auch Judge will nichts davon wissen.

Heute, Donnerstag, soll Ford vor dem Justizausschuss des US-Senats - und aller Öffentlichkeit - aussagen, was genau an jenem Sommerabend vor weit als 30 Jahren passiert war. Es wird das erste Mal sein, dass Ford in dieser Sache öffentlich auftritt. Der Druck auf sie ist groß.

Nach ihr sollte Kavanaugh aussagen. In seinem vorbereiteten Eingangsstatement, das am Mittwoch im Voraus verbreitet wurde, weist er alle Anschuldigungen von sich - wie schon in den vergangenen Tagen: Er sei unschuldig, habe noch nie eine Frau sexuell belästigt. Er sei nicht perfekt gewesen damals und sei es auch heute nicht. Vielleicht habe er in seinen jungen Jahren am Wochenende auch mal ein Bier zu viel getrunken. Aber die meiste Zeit sei er mit Lernen, Sport und Kirche beschäftigt gewesen. Die Vorwürfe von Ford und anderen seien nichts als Verleumdung, um seine Ernennung zu verhindern.

Nach Ford meldeten sich noch weitere Frauen zu Wort. In den vergangenen Tagen - auch am Tag vor der Anhörung - wurden immer neue Vorwürfe öffentlich, die ein Bild von Kavanaugh zeichnen, das so gar nicht zu dem passen will, wie er sich selbst darstellt. Der 53-Jährige bestreitet alle Anschuldigungen und sieht darin eine politische Kampagne gegen seine Ernennung. Auch Trump beschimpft die Demokraten seit Tagen, sie spielten ein betrügerisches Spiel.

Der Präsident will die Anhörung aufmerksam verfolgen. „Ich glaube, das wird ein sehr, sehr wichtiger Tag in der Geschichte unseres Landes“, sagte Trump am Mittwochabend (Ortszeit) in New York. Er wolle hören, was die Frau zu sagen habe - und dann über Kavanaughs Zukunft entscheiden. Das lässt aufhorchen. Trump verteidigt und preist Kavanaugh zwar weiter, aber er macht auch klar: Falls er Kavanaugh für schuldig halte, könne er seine Meinung zu dessen Nominierung ändern. Kavanaugh muss also in mehrerer Hinsicht bangen.

Er wäre bei weitem nicht der erste Supreme-Court-Anwärter, der im Ernennungsprozess scheitert. Es gab in der langen Geschichte des höchsten US-Gerichts mehrere Dutzend Fälle, in denen Nominierungen zurückgezogen wurden oder ein Kandidat beim Votum im Senat durchfiel.

Erst muss der Justizausschuss der Kammer eine Empfehlung abgeben, dann muss der gesamte Senat über die Ernennung abstimmen. Die Republikaner haben im Senat derzeit nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Sie haben es daher eilig und wollen Kavanaugh möglichst schnell bestätigen - bevor sich womöglich durch die Kongresswahlen im November die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern. Sie machen Druck, schon nächste Woche abzustimmen. Aber es gibt auch einzelne Republikaner, deren Zustimmung zu Kavanaugh angesichts der Vorwürfe wackelt. Für sie ist nun die Anhörung mit Ford entscheidend.

Die Demokraten dagegen wollen den Prozess mit aller Macht rauszögern - in der Hoffnung, die Berufung des erzkonservativen Richters noch zu verhindern. Beide Seiten liefern sich seit Tagen eine Schlammschlacht um die Personalie. Aber beide stehen auch vor dem Problem, dass sie aufpassen müssen, durch ihre strategischen Winkelzüge bei dem heiklen Thema nicht lauter Wähler vor den Kopf zu stoßen - vor allem Frauen.

Auch Trump hat dies Problem. Er hat seinen Anhängern die Berufung von Kavanaugh im Voraus als großen Erfolg verkauft und muss nun liefern. Ein schwer lädierter Richter, an dem düstere Vorwürfe haften und der es nur mit größter Not ans oberste Gericht der USA geschafft hat, könnte Trump aber auch schaden. Es steht viel auf dem Spiel - für viele.

Am Ende der Anhörung dürfte allerdings weiter Aussage gegen Aussage stehen. Ob es dort eine Antwort auf die Frage gibt, wer Brett Kavanaugh wirklich ist - das ist höchst fraglich.