Volkstheater: Yousif Ahmad hofft auf „Chance, neues Leben zu führen“

Wien (APA) - Vor drei Jahren und einer Woche kam Yousif Ahmad in Wien an. Der junge Mann mit den langen, lockigen Haaren stammt aus dem Irak...

Wien (APA) - Vor drei Jahren und einer Woche kam Yousif Ahmad in Wien an. Der junge Mann mit den langen, lockigen Haaren stammt aus dem Irak und musste aus seiner Heimat flüchten. Im Wiener Volkstheater, wo seine Cousine Seyneb Saleh als Schauspielerin engagiert war, hat er bald eine „Ersatzfamilie“ gefunden. Seine Geschichte kam in „Lost and Found“ auf die Bühne. Auf seinen Asyl-Bescheid wartet er immer noch.

„Das erste Wort, das ich auf Deutsch gelernt habe, war ‚Anfang‘“, erzählt der 28-Jährige in gutem Deutsch im APA-Interview im Volkstheater. An seiner Seite sitzt die Schauspielerin und Nestroy-Preisträgerin Birgit Stöger, die in den beiden Stücken „Lost and Found“ und „Gutmenschen“ von Yael Ronen, das diesen Herbst wieder aufgenommen wird, mitgespielt hat. Sie kennt Yousif Ahmad quasi von Anfang an.

„Als ich am Hauptbahnhof angekommen bin, musste ich erst einen Polizisten fragen, wo ich überhaupt bin“, erinnert sich Ahmad. „Austria? Was ist das?“, habe er gefragt. „Ich kannte das Land damals nicht.“ Also rief er seinen in Großbritannien lebenden Onkel an und sagte ihm: „Ich bin in Österreich.“ Der Onkel wusste, dass Yousifs Cousine in Wien lebt und kontaktierte sie kurzerhand. Seyneb Saleh holte ihren Cousin, den sie zuletzt als Kind gesehen hatte, ab und nahm ihn bei sich auf. Bereits nach wenigen Tagen begleitete Ahmad sie zu einem Treffen mit Freunden, wo er auch die Dramaturgin Veronika Maurer kennenlernte. Bald entstand die Idee, seine und Salehs Geschichte in der aktuellen Stückentwicklung „Lost and Found“ zu thematisieren, in dem Stöger den Part der Cousine spielte. Im Nachfolger „Gutmenschen“ stand Yousif Ahmad schließlich sogar selbst auf der Bühne.

Für Ahmad war der bald entstandene Freundeskreis eine Überforderung. „Es war ein komisches Gefühl. Es waren so viele Leute. Im Irak habe ich nur zwei Freunde gehabt, dort war es immer schwierig, akzeptiert zu werden. Hier sind die Leute auf der selben Wellenlänge wie ich“, so Ahmad, dem es allerdings schwer fällt, selbst auf der Bühne zu stehen. „Das ist stressig für mich. Aber meine Freunde unterstützen mich. Dann singen wir hinten in der Garderobe oder sprechen miteinander.“ Zudem sei ein Theaterstück „eine schöne Art, meine Geschichte zu erzählen“.

Auch die positiven Reaktionen des Publikums freuen ihn. „Mir ist wichtig, dass sie Spaß haben und gleichzeitig verstehen, was mit anderen passiert.“ Auch die Publikumsgespräche im Anschluss erfreuen sich großer Beliebtheit, wie Stöger einwirft. Dort träfen sich Menschen, die oft ähnliche Erlebnisse (als Helfer) haben.

Die mediale Stimmung gegen Flüchtlinge stört Yousif Ahmad nicht: „In jeder Gesellschaft haben die Leute verschiedene Meinungen. Ich verstehe, dass Menschen Angst vor Fremden haben. Wir müssen das akzeptieren. Ich habe natürlich auch negative Erfahrungen gemacht, aber man darf sich nicht darüber ärgern. Es kommen auch viele Leute mit offenen Armen auf mich zu. Das ist ja auch das Ziel des Theaterstücks: dass die Leute uns besser kennenlernen.“

Auch, wenn er jetzt ganz eng ans Theater gebunden ist und sogar an einem eigenen Theaterstück arbeitet („Es geht um Menschen aus der Oberschicht und ihre Kontakte zur Mafia!“), war Theater für ihn in seinem Leben vor der Flucht nicht sehr zentral. „Ich bin nur mit den Eltern als Kind ins Theater gegangen, aber nach der amerikanischen Regierung im Irak ist die Kunst untergegangen. Das Niveau ist gesunken. Kunst ist in der aktuellen Regierung problematisch.“

Für den Fall, dass er nun nach dem ersten, ablehnenden Bescheid in zweiter Instanz Asyl zugesprochen bekommt, hat Yousif Ahmad schon viele Pläne. Das Volkstheater hat ihm ein Beschäftigungsverhältnis angeboten, weiters habe er schon drei Angebote von IT-Firmen bekommen, um als 3D-Animateur anzufangen, als der er bereits im Irak und der Türkei tätig war. Es fällt ihm schwer, seit drei Jahren nicht arbeiten zu dürfen. Also verbringt er viel Zeit in verschiedenen Theatern, arbeitet als Freiwilliger in einer Kindergruppe und besucht Vorlesungen an der Angewandten. Neben seinem Theaterstück schreibt er auch noch Gedichte, manchmal sogar auf Deutsch.

Die Angst, abgeschoben zu werden, ist „immer irgendwo in meinem Kopf“, sagt Yousif Ahmad. „Aber wenn ich die ganze Zeit daran denken würde, würde es mich lähmen. Hier bleiben zu können wäre wie eine Wiedergeburt. Eine Chance, mein neues Leben zu führen.“

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)