Brezinschek: Fed dürfte Mitte 2019 mit Zinsanhebungen innehalten
Wien/Washington/Frankfurt (APA) - Aus Sicht von Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek dürfte die US-Notenbank Fed bereits Mitte 2019 mit ...
Wien/Washington/Frankfurt (APA) - Aus Sicht von Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek dürfte die US-Notenbank Fed bereits Mitte 2019 mit ihren Zinserhöhungen bei dann drei Prozent stoppen und nicht mehr höher gehen. Seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) hält er für möglich, dass sie zwar den Leitzins bis September 2019 gleich lässt, aber den geldmarktorientierten Einlagensatz von minus 0,4 Prozent schon früher anhebt.
Fed-Chairman Jerome Powell habe am Mittwoch signalisiert, dass es eine boomende US-Wirtschaft gebe, die sich auch 2019 über dem Potenzialwachstum entwickeln dürfte - und die breit aufgestellt sei durch das Konsumentenvertrauen, die Investitionen und Effekte der US-Steuerreform. Zudem habe Powell die Botschaft vermittelt, dass der nun auf 2 bis 2,25 Prozent erhöhte US-Leitzinssatz eine günstige Finanzierungsbasis für die Unternehmen darstelle, angesichts von heuer mehr als fünf Prozent nominellem Wirtschaftswachstum und 2019 noch immer viereinhalb bis fünf Prozent Wachstum.
Ja, die Fed werde bis ins zweite Quartal 2019 weitere Zinserhöhungen vornehmen, meinte Brezinschek am Donnerstag im Gespräch mit der APA, aus seiner Sicht aber nur bis Juni, womit dann ein Zinssatz von 3 Prozent erreicht sei. Die Inflation werde sich 2019 nicht mehr weiter beschleunigen, auch von der Lohnentwicklung sei kaum ein Übertragungseffekt zu erwarten. Nehme die Fed dagegen bis 2019 insgesamt vier statt drei Zinserhöhungen vor - davon eine noch heuer im Dezember, die für Experten praktisch fix ist -, dann stünden die US-Zinsen bei 3 1/4 Prozent, so der Raiffeisen-Chefanalyst.
Bereits im Juni 2019 bei 3 Prozent stoppen könnte die Fed nach Meinung Brezinscheks etwa wegen möglicher Auswirkungen des US-Handelskonflikts auf die Konjunktur und auch angesichts von Wirtschaftsproblemen in Schwellenländern, wie sie sich etwa in Argentinien, Brasilien oder der Türkei zeigten. Den Schwellenländern habe Powell empfohlen, vom Dollar in andere Währungen umzuschulden. Zu einem Aufschub einer Zinserhöhung auf Rücksicht auf Schwellenländer, wie dies seinerzeit Fed-Chefin Janet Yellen einmal getan habe, sei Powell aber nicht bereit.
Momentan sei die US-Konjunktur wirklich stark und fest. Als „wichtig“ sieht es Brezinschek an, dass die Fed ihre BIP-Prognosen am Mittwoch angehoben hat - nämlich für heuer von 2,8 auf 3,1 Prozent und für 2019 von 2,4 auf 2,5 Prozent. Erfolgt seien die Anhebungen aufgrund der auf die Investitionen länger positiv wirkenden Effekte der US-Steuersenkungen, des höheren Ölpreises, weil dieser mehr Investitionen bringe, und aufgrund der besseren Unternehmerstimmung. Für 2020 ließ die Notenbank die Wachstumsprognose bei 2,0 Prozent.
Die aktuellen Zinsen seien für Investitionen nach wie vor verträglich, den 5 1/2 Prozent nominelles Wachstum in den USA stünden halb so hohe Geldmarktzinsen von 2 1/4 bis 2 1/2 Prozent gegenüber, und am Rentenmarkt liege man bei 3 bis 3 1/2 Prozent bei Langfrist-Finanzierungen. Die Situation sei also nicht so, wie sie US-Präsident Donald Trump in seiner Kritik an der Notenbank darstelle, der er ein Abbremsen der Konjunktur durch die Zinsanhebungen vorwarf.
Die drei Ziele der US-Notenbank seien eine höchstmögliche Beschäftigung, stabile Preise und moderate langfristige Zinsen, so Brezinschek: „Mit den Zinsanhebungen kann sie den Inflationstrend rechtzeitig im Zaum halten. Die Inflation ist also im Griff.“ Die Aussichten für den bereits auf Vollbeschäftigung zulaufenden US-Arbeitsmarkt werden von der Fed weiter günstig eingeschätzt, wobei heuer mit einer Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent gerechnet wird, nach zuvor 3,6 Prozent.
Sollte sich die Wirtschaft in den USA 2020/21 doch abschwächen, sei die Fed auf Zinssenkungen eingestellt. Brezinschek: „Meines Erachtens wird das Wachstum 2020 eher unter zwei Prozent liegen - darauf würde ich auch wetten.“ Dafür würden Kapazitätsengpässe sowie die Entwicklungen bei Kapitalstock und Arbeitsmarkt sprechen. Eventuell könnte sich das Wachstum 2020/21 sogar auf unter ein Prozent abbremsen, schließt der Raiffeisen-Experte nicht aus.
Für die EZB hält Brezinschek für möglich, dass sie zwar den Leitzins bis September 2019 gleich lässt, aber den Einlagensatz von minus 0,4 Prozent schon früher anhebt - auf zum Beispiel minus 0,2 oder sogar minus 0,1 Prozent. Damit würde dann der Druck von den negativen Geldmarkt-Zinsen verschwinden und Druck vom Euro genommen. Die 3-, 6- und 12-Monatszinsen würden „dann eher positivere werden“, auch wenn der Hauptrefinanzierungssatz noch gleich bleibe.
Auch die Inflationsentwicklung im Euroraum werde bei den Zinsüberlegungen eine Rolle spielen, nämlich wenn etwa Anfang 2019 die Teuerungsrate statt 1 1/2 bis 2 Prozent vielleicht doch über 2 Prozent steige - infolge eines Ölpreisanstiegs durch die Iran-Sanktionen oder ein stärkeres „Durchfeuern“ der Löhne auf die Kerninflationsrate in der Eurozone. Das könnte dann einen „Umdenkprozess“ bewirken, meinte Brezinschek und erinnerte dazu auch an die jüngsten Äußerungen von Österreichs Notenbankchef EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny, der vorigen Sonntag in der ORF-“Pressestunde“ gemeint hatte: „Ich glaube nur, wir sind derzeit in einer wirklich sehr guten Wirtschaftslage. Die Geldpolitik entspricht eigentlich noch dem Krisenmodus in dem wir waren, sodass ich denke dass die Normalisierung vielleicht doch etwas rascher erfolgen sollte als das derzeit geplant ist.“ Spannend werde auch die Frage der Nachfolge für den nur noch bis Mai 2019 amtierenden EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, der ein auf Niedrigzinsen bedachter Ökonom sei und EZB-Chef Mario Draghi in Richtung expansive Geldpolitik berate.
http://www.ecb.int ~ APA215 2018-09-27/11:29