Vitaseks „Austrophobia“: „Wir sind eine Art Labor-Anordnung“ 1
Innsbruck (APA) - 37 Jahre Kabarett-Geschichte - und mittendrin in der „Austrophobia“: Im gleichnamigen, 13. Programm seiner Karriere stellt...
Innsbruck (APA) - 37 Jahre Kabarett-Geschichte - und mittendrin in der „Austrophobia“: Im gleichnamigen, 13. Programm seiner Karriere stellt Andreas Vitasek, einer der Evergreens der heimischen A-Liga der Kabarettisten, den Homo Austriacus unter sein satirisches Reagenzglas - mit allerlei „Reaktionen“ an polit-gesellschaftlichen, alltäglichen und mentalitätsmäßigen Eigen-, Sonder-, und Seltsamkeiten.
Österreich-Premiere ist am 2. Oktober im Wiener Stadtsaal. Zuvor spielt der 62-Jährige in dieser Woche fünf Vorpremieren - traditionsgemäß im „Heiligen Land“ Tirol, konkret im Innsbrucker Treibhaus. Im Umfeld ebendieser „Vorspiele“ gab der Noch-Nicht-Altmeister der gepflegten Kleinkunst-Unterhaltung der APA, entspannt und reflektierend zugleich, ein Interview: Über Vorpremieren-Parallelen zu Ski-Trainingsläufen, Österreich als Versuchs-Anleitung für weltgeschichtliche Entwicklungen, Jörg Haider als „Role Model“, Alters-Gedanken, Filmpläne und über Sahra Wagenknecht und eine linke Sammelbewegung, die er auch in Österreich für verwirklichbar hält.
APA: Herr Vitasek, kann man diese Vorpremieren ein bisschen mit Trainingsläufen im Skifahren vergleichen? Man testet die schnellste Linie aus?
Andreas Vitasek: Guter Vergleich. Es ist sehr ähnlich. Man schaut sich die Torkombinationen an, schaut, wo man bremsen und Gas geben kann. Ein Programm ist ein bisschen wie eine Piste, weil es auch sehr viel - wie ein Slalom - mit Rhythmus zu tun hat. Manchmal muss man auch etwas komplett rausschneiden, wenn man merkt, eine Idee ist zwar gut, aber nimmt mir die Fahrt weg oder bremst die ganze Nummer. Schwierig ist zu erkennen, ob die Leute an gewissen Stellen gelangweilt oder konzentriert sind.
APA: Worin besteht eigentlich die Austrophobie und wie äußert sie sich heute?
Vitasek: „Austrophobia“ als Titel für ein mögliches Kabarettprogramm ist mir bereits im Jahr 2013 eingefallen. Insofern ist es nicht ein Reflex auf die momentane politische Situation, passt aber gar nicht schlecht. Es geht um dieses ambivalente Verhältnis, dieses Gefühl, das ich bei mir spüre und auch beim Österreicher, in dem Sinne: Man mag sich ein bissel selber nicht als Österreicher, dieser leichte Minderwertigkeitskomplex. In einer Passage des Programms kommt zum Beispiel Falco vor, der, als er Nummer eins in den US-Charts wurde, reagiert hat mit den Worten: ‚Jetzt ist es aus, das schaff ich nimma‘. Das ist so typisch österreichisch, im größten Triumph so etwas zu sagen. Meiner Meinung nach hat diese Einstellung mit unserer jüngeren, nicht wirklich aufgearbeiteten Vergangenheit zu tun - Stichwort der Schmäh mit dem ersten Opfer des Nationalsozialismus. Und auch mit der älteren, als wir noch ein ernst zu nehmendes Staatengebilde, eine Monarchie waren. So typisch österreichisch ist auch dieses Hinaus-Schleichen aus der Verantwortung, dieses ‚Nicht zu dem Stehen‘, wie wir‘s ja jetzt wieder in der Politik sehen. Es wird vorgeprescht mit etwas und dann zurückgezogen mit dem Argument, es eh nicht so gemeint zu haben. Aber die Grenzen werden dabei weiter verschoben. Man stumpft ab, es gehört dann zur Tagesordnung, wie Medien behandelt werden zum Beispiel.
APA: Ist Österreich hier eine Ausnahme oder werden internationale Entwicklungen nachvollzogen?
Vitasek: Wir sind natürlich auch nur ein Mikrokosmos vom Großen. Andererseits sind wir auch eine Art Labor-Anordnung. Labor-Ratten, an denen man ausprobiert, ob‘s funktioniert. Man kann es auch durchaus so sehen, dass Jörg Haider ein Role Model für all das war, was nach ihm kam, auch für viele Protagonisten der aktuellen Regierung. Nicht nur vom Äußeren her. Das gilt auch für die europäischen Rechtspopulisten. Man hat das Gefühl, die sind alle aus derselben Fabrik, derselben Manufaktur. Die Modelle, die Klone.
APA: Sie haben im Vorfeld gemeint, „Austrophobia“ sei politischer als die vorherigen Programme. Man hat das Gefühl, es ist aber doch in erster Linie eine Beschreibung von Mentalitäts-Eigenheiten der Österreicher aus der privaten Perspektive, mit politischen Einsprengseln.
Vitasek: Richtig. Es ist einerseits politischer, weil der Anteil der Politik in meinen Programmen dem Anteil von Politik in meinem privaten Leben und Gesprächen entspricht. Und der ist momentan einfach größer. Auch in Gesprächen mit meiner Frau, bei denen wir übrigens nicht immer einer Meinung waren und sind. Etwa, als es um die Flüchtlingsbewegung 2015 ging. Sie aufseiten der Willkommenkultur, ich als derjenige, der der Meinung war, man müsse aufpassen und könne nicht alle ins Land lassen. „Austrophobia“ ist aber andererseits keine reine politische Abhandlung. Das könnte ich gar nicht und würde ich auch nicht wollen. Ich bin kein politischer Kabarettist. Daher immer wieder der Versuch der Betrachtung aus der Sicht der heilen Kleinfamilie mit Tochter, Frau und Hund. Trotzdem schimmert immer wieder das Große mit hinein.