Vitaseks „Austrophobia“ 2 - „Jemand wie Wagenknecht fehlt bei uns“
Innsbruck (APA) - APA: Viele Künstler und Intellektuelle links der Mitte orten mit der türkis-blauen Bundesregierung eine Rückkehr des Natio...
Innsbruck (APA) - APA: Viele Künstler und Intellektuelle links der Mitte orten mit der türkis-blauen Bundesregierung eine Rückkehr des Nationalismus, des Reaktionären, die Gefahr der Einschränkung von Freiheiten einer liberalen Demokratie. Teilen Sie diesen Befund?
Andreas Vitasek: Wenn man über die Grenze nach Ungarn oder Tschechien schaut, sieht man, wohin das führen kann. Bei uns ist es noch nicht soweit. Aber es ist die Aufgabe von Künstlern, zu warnen. Österreich ist ein schönes Land, aber man muss auch daran arbeiten, dass es so bleibt. Es gibt Anzeichen, dass die Presse- und Meinungsfreiheit in Gefahr ist. Was mich an der Causa rund um Innenminister Kickl auch so stört, ist dieses vorhin schon erwähnte ‚Nicht dazu-stehen‘. Jetzt schiebt man es dem Ministeriumssprecher zu. Ich habe das Gefühl: Man geht immer zwei Schritte vor, wartet bis sich alle empören, um dann wieder ein bisschen zurück zu weichen. Damit schafft man sich aber immer mehr Raum. Oder die Sache mit dem Wolfgang Ambros, wo sofort mit regulierten, organisierten Shitstorms und bezahlten Hasspostern reagiert wird. Ich habe insgesamt nicht das Gefühl, dass wir in einer besonders glücklichen Zeit leben, dass die Leute sehr zufrieden sind. Man kann auch sagen, es ist nicht schlecht, wenn die Konfrontationen zunehmen. Ich selber fürchte mich nicht davor. Aber es geht um die nächsten Generationen. Ich möchte nicht, dass meine Töchter in einem Klima der Unfreiheit aufwachsen.
APA: Glauben Sie, dass Türkis-Blau nicht nur auf eine Legislaturperiode angelegt ist, sondern eine Ära begründen kann?
Vitasek: Angesichts des Zustandes der Opposition, ist es ziemlich offensichtlich, dass die zwei Legislaturperioden durcharbeiten werden. Es liegt eindeutig an der Schwäche der Opposition.
APA: Erschreckt Sie der Zustand der SPÖ?
Vitasek: Auch hier sind wir ja nur ein Mikrokosmos. Das ist eine Entwicklung, die schon lange von statten geht. Es geht um die Schwäche der Sozialdemokratie allgemein, in ganz Europa. Das hat damit zu tun, dass sich der Begriff des Arbeiters verändert hat. Insofern ist das ja keine Arbeiterbewegung mehr. Angefangen hat der Verlust der Identifikation der Sozialdemokraten damit, dass an der Spitze nicht mehr der Typus Arbeiterführer stand, sondern immer mehr Manager. Gut, ein Arbeiterführer war Franz Vranitzky auch nicht. Aber der war eine Persönlichkeit. Das hätte man auch nicht gedacht, dass man vom Vranitzky einmal als dem letzten charismatischen SPÖ-Chef spricht.
APA: Pamela Rendi-Wagner wäre keine solch charismatische Person?
Vitasek: Man sollte ihr eine Chance geben. Es gäbe ja auch genug Möglichkeiten sich zu profilieren. Eine linke Sammelbewegung hätte derzeit eine Chance. Das sieht man ja auch in Deutschland bei Sahra Wagenknecht. Das ist eine politisch profilierte Person. Sie steht für etwas. Das fehlt bei uns noch. Allein aus demokratischen Gründen hätte ich Sympathie dafür. Links von der Mitte ist bei uns im Moment alles frei. Ein braches Feld, das nur von charismatischen Typen besät und beackert werden müsste. Aber diese Typen fehlen. Schade, dass man den Kreisky nicht klonen kann (lacht).
APA: Sehr präsent scheint im Programm eine gewisse Altersphobie zu sein. Hat Andreas Vitasek Angst vorm Alter?
Vitasek: Ich bin jetzt 62 Jahre alt und würde lügen, wenn das spurlos an einem vorbei geht. Das Alter macht mir nicht zu schaffen, aber man erlebt, dass im Freundes- und Bekanntenkreis immer mehr Menschen wegsterben oder krank werden. Das beschäftigt einen schon, besonders, da man ja Familie hat. Es geht weniger um mich. Ich habe das Gefühl, ein erfülltes Leben gelebt zu haben. Es fehlt mir eigentlich nichts mehr in meinem Lebensbuch.
APA: Wird es irgendwann einmal den Pensionisten Vitasek geben bzw. könnte man irgendwann zum Schluss kommen: „Aufhören wenn‘s am schönsten ist“?
Vitasek: Solange es körperlich geht und das Publikum meine Programme sehen will, wahrscheinlich nicht. Da hätte auch meine Frau etwas dagegen. Ich würde ihr auf die Nerven gehen. Und von „Aufhören wenn‘s am schönsten ist“ halte ich nicht viel, denn: Es kann ja immer noch schöner werden.
APA: Stehen neue Filmpläne auf der „To Do-Liste“?
Vitasek: Arte hat angefragt wegen eines dritten Teils der „Kebab“-Reihe. Das hatte dort einen großen Erfolg bzw. eine gute Quote. Da würde ich zur Verfügung stehen. Schön wäre auch eine Neuauflage von „Brüder“ mit Wolfgang Böck und Erwin Steinhauer. Da gibt es Vorgespräche und Grundideen für einen vierten Teil, aber noch nichts Konkretes.
(Das Gespräch führte Wolfgang Eder/APA)
(S E R V I C E - „Austrophobia“ im Wiener Stadtsaal. Premiere: 3. Oktober, 20 Uhr. Weitere Termine: 3.- 4., 9.-10., 11., 15.-17., 23.-25., 30 und 31. Oktober, 01., 6.-8., 13.-15. November, jeweils um 20 Uhr. . http://stadtsaal.com)