Schluss mit Sparen: Italien will mit mehr Defizit wachsen

Rom (APA) - Schluss mit Sparen: Drei Monate nach ihrem Amtsantritt setzt Italiens Regierung kräftig auf Neuverschuldung. Mit mehr Defizit wo...

Rom (APA) - Schluss mit Sparen: Drei Monate nach ihrem Amtsantritt setzt Italiens Regierung kräftig auf Neuverschuldung. Mit mehr Defizit wolle die Regierungsparteien Lega und Fünf Sterne-Bewegung die Weichen für Wachstum setzen und ihre Wahlversprechen einhalten. Sie scheuen sich dabei nicht davor, mit Brüssel auf Konfrontationskurs zu gehen.

Die Ära der Austerität ist damit endgültig zu Ende. Italiens Haushaltsdefizit wird in den Jahren 2019, 2020 und 2021 jeweils bei 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, beschlossen die Regierungsparteien nach zermürbenden Verhandlungen mit Wirtschaftsminister Giovanni Tria, der als Garant für Finanzdisziplin galt. Der parteiunabhängige Ökonom hatte auf ein Höchstdefizit von 1,6 Prozent gedrängt, musste jedoch vor dem Druck von Lega und Fünf Sterne-Bewegung kapitulieren. Die sozialdemokratische Vorgängerregierung hatte noch ein Defizit von 0,8 Prozent angepeilt.

Die Regierungskräfte dementierten, dass Tria mit dem Rücktritt gedroht habe, um ein niedrigeres Defizit durchzusetzen. „Der Wirtschaftsminister teilt unsere politischen Pläne“, versicherte Arbeitsminister und Vizepremier Luigi Di Maio. Nach der Verkündung der Defizitziele äußerte sich Tria zunächst zwar nicht. Aus seinem Umfeld verlautete aber, er habe nicht die Absicht, sein Amt aufzugeben.

„Wir starten mit dem größten Programm öffentlicher Investitionen, das in Italien je verwirklicht wurde. Die Regierung des Wandels zwingt dem ganzen Land einen neuen Schritt auf. Wir arbeiten für das Wohl Italiens und der Italiener“, kommentierte Premier Giuseppe Conte auf Facebook. Die Regierung plane ein „vernünftiges und mutiges Budget“, das das Leben der Italiener verbessern werde. Robustes Wirtschaftswachstum und bessere Lebensbedingungen für die Ärmeren seien die Eckpfeiler des neuen Budgetentwurfs.

Zusätzliche 15 Milliarden Euro öffentliche Investitionen in den nächsten drei Jahren plant die Regierung. Zehn Milliarden Euro sind für eine Mindestsicherung vorgesehen, die die Fünf-Sterne-Bewegung im Wahlkampf versprochen hatte. Auch eine Erhöhung der Mindestpensionen sei geplant, teilte Arbeitsminister Luigi Di Maio mit. Dieser Schritt sei wichtig, um den Italienern würdevolle Pensionen zu garantieren. 1,5 Milliarden Euro fließen in einen Fonds zur Entschädigung der Kleinanleger, die im Zuge von Bankenpleiten in den vergangenen Jahren ihre Ersparnisse verloren haben. Damit will die Fünf Sterne-Bewegung ein weiteres Wahlversprechen halten.

Die Regierung will 2019 die Steuerlast für eine Million Italiener auf 15 Prozent drücken. Die Pensionsreform aus dem Jahr 2012 soll teilweise rückgängig gemacht werden. Damit können mehr Italiener früher in den Ruhestand treten. Zudem seien Investitionen für Schulen, Straßen und Gemeinden vorgesehen.

Italien ächzt im Verhältnis zum BIP unter dem zweithöchsten Schuldenberg in der Euro-Zone. Die Wirtschaft hinkt dem Rest der Währungsunion seit deren Start vor fast zwei Jahrzehnten weitgehend hinterher. Die Zahl der in Armut lebenden Italiener hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Mit einer expansiven Haushaltspolitik wollen die populistischen Kräfte, die die Parlamentswahlen im März gewonnen haben, Italien wieder auf Wachstumskurs bringen. Ihnen droht jedoch ein harter Streit mit Brüssel.

Im Oktober muss Italien den Entwurf für den Haushalt 2019 erst der EU-Kommission sowie den EU-Finanzministern und dann dem Parlament vorlegen. Die EU könnte ein Verfahren gegen Italien in die Wege leiten. Die Brüsseler Behörde hatte die Regierung in Rom mehrmals zu einer vernünftigen Ausgabenpolitik ermahnt. Die Befürchtung ist, dass Italien, die drittgrößte EU-Volkswirtschaft, eine neue Schuldenkrise in Europa lostritt.