Mazedonien oder Nordmazedonien? Hochspannung vor Referendum

Skopje (APA) - In die EU und die NATO wollen fast alle Mazedonier. Aber dass sie dafür 27 Jahre nach der Unabhängigkeit ihren Staatsnamen än...

Skopje (APA) - In die EU und die NATO wollen fast alle Mazedonier. Aber dass sie dafür 27 Jahre nach der Unabhängigkeit ihren Staatsnamen ändern müssen, ist für viele schwierig zu verdauen. Ob schlussendlich der Pragmatismus überwiegen wird, ist ungewiss. In den letzten Stunden vor dem Referendum über die Einigung mit Griechenland im jahrelangen Namensstreit am Sonntag wächst daher die Nervosität in Skopje, und auch in Brüssel.

Die EU hat große Kaliber aufgefahren, um der umstrittenen Übereinkunft, wonach sich das Land künftig Republik Nordmazedonien nennen soll, zum Erfolg zu verhelfen. Einen derartigen Schaulauf internationaler Politiker wie in den vergangenen vier Wochen hat das kleine Balkanland noch nie erlebt. Regierungschefs, Minister und EU-Diplomaten drückten sich die Klinke in die Hand, um der Regierung in Skopje den Rücken zu stärken.

Die mazedonische Regierung versuchte buchstäblich bis zur letzten Minute am Donnerstagabend, die Bürger von den Vorteilen des im Sommer mit Griechenland erzielten Abkommens zu überzeugen. Seit Mitternacht - 48 Stunden vor der Abstimmung - herrscht Wahlkampfruhe. Mit großflächigen Plakaten und Kundgebungen im ganzen Land wurden die Bürger in den vergangenen Wochen mobilisiert, ihre Stimme am Sonntag abzugeben.

Die Gegner versuchen mit groß angelegten Kampagnen vor allem in den sozialen Netzwerken Stimmung gegen die Namensänderung zu machen. Sie sehen dadurch die mazedonische Identität gefährdet und rufen zum Boykott des Referendums auf. Unterstützung bekommen die Nationalisten dabei laut Beobachtern aus Russland, das kein Interesse an einem NATO-Beitritt des Landes hat.

Die Regierung habe alles getan, um die Bürger davon zu überzeugen, dass die jahrelang verschlossene Tür zur EU nun endlich geöffnet werden könne, „nun haben die Bürger den Schlüssel in der Hand“, sagte der mazedonische Außenminister Nikola Dimitrov am Donnerstagabend in Skopje.

Auffallend ist, dass den künftigen Staatsnamen Nord-Mazedonien hier keiner in den Mund nimmt. „Wir bleiben Mazedonier und unsere Sprache bleibt mazedonisch“, betonte Dimitrov. Nicht einmal in der offiziellen Referendumsfrage kommt der vereinbarte neue Landesname vor: „Sind Sie für die Mitgliedschaft in der EU und der NATO, indem Sie das Abkommen zwischen der Republik Mazedonien und der Hellenischen Republik anerkennen?“, heißt es da. Bewusst wurde die umstrittene Namensänderung mit der attraktiven Annäherung an EU und NATO verquickt.

Tatsächlich hat der Namensstreit den Weg in die beiden Organisationen blockiert. An sich hatte die EU-Kommission schon 2008 den Beginn von Beitrittsgesprächen empfohlen, doch legte sich Athen seitdem beständig quer. Griechenland befürchtete im Staatsnamen einen Anspruch auf die griechische Provinz Makedonien.

Für viele Mazedonier ist die Kröte aber zu groß, die es nun für die Beitrittsperspektive zu schlucken gilt. Er werde nicht zur Urne gehen am Sonntag, meint ein junger Mann, der kleine Filme fürs Internet produziert und sich nebenbei etwas als Kameramann dazuverdient, in Skopje. „In die EU will ich schon, aber nicht unter diesen Bedingungen“, sagt er. Er traut den Regierungspolitiker ebensowenig wie der Opposition. Die meisten seiner Freunde hätten dem Land bereits den Rücken gekehrt, weil sie dort keine Perspektive mehr sähen. 300.000 bis 400.000 Mazedonier sind Schätzungen zufolge ausgewandert.

Andere Mazedonier sehen die Frage pragmatisch: „Wenn das nötig ist, damit wir ein halbwegs normales Leben führen können“, werde sie für die Namensänderung stimmen, meint eine Frau. Ein kleines Land wie Mazedonien habe ohnehin nichts zu entscheiden, meint sie. „Wichtig ist, dass die Waffen schweigen“, denn das Land habe bereits so viele Konflikte erlebt.

Diplomaten geben sich zuversichtlich, dass die große Mehrheit der Mazedonier es ähnlich sieht und am Sonntag mit „Ja“ stimmt. Die rund 300.000 ethnischen Albaner im Land dürften auf jeden Fall mehrheitlich für die Namensänderung sein. Aber es wird davon ausgegangen, dass da nötige Quorum von 50 Prozent der 1,8 Millionen Stimmberechtigten nicht erreicht wird. Auch weil das Wählerregister nicht mehr aktuell ist, hunderttausende sind ins Ausland gezogen, viele mittlerweile verstorben sind.

Das Referendum hat nur beratenden Charakter, umgesetzt werden muss die Namensänderung danach im Parlament. Allerdings ist für die Verfassungsänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, weshalb die Regierung Stimmen aus der Opposition benötigt. Die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative VMRO-DPMNE, kritisiert die Einigung mit Griechenland, hat aber keine offizielle Stimmempfehlung abgegeben. Staatschef Gjorgje Ivanov hat seine Landsleute hingegen offen dazu aufgerufen, am Sonntag nicht am Volksentscheid teilzunehmen. Die Namensänderung nannte er am Donnerstag einen „historischen Selbstmord“.

Je deutlicher die Zustimmung ist, desto eher wird die Opposition die nötigen Stimmen dafür geben, so das Kalkül der Regierung. Die VMRO-DPMNE ist laut Beobachtern innerlich zerrissen, das Werben der Regierung um die benötigten Stimmen einzelner Abgeordneter habe hinter den Kulissen längst begonnen, heißt es. Das Verhalten der Oppositionspartei wird aber letztlich vom Ausgang des Referendums am Sonntag abhängen, ein Grund weshalb die Volksabstimmung am Sonntag mit so großer angespannter Aufmerksamkeit verfolgt wird.