Vorwürfe gegen Kavanaugh: Auf Showdown folgt Abstimmung
Dr. Christine Blasey Ford erzählte mit zitternder Stimme von ihrer Missbrauchserfahrung und beschuldigte Richter Brett Kavanaugh – mit „absoluter Sicherheit“. Dieser verteidigte sich anschließend in einem aggressiven Statement und erhob besonders gegen die demokratischen Senatoren seine Stimme.
Washington – US-Präsident Donald Trump hat den Auftritt des Spitzenjuristen Brett Kavanaugh vor dem US-Senat gelobt und sich klar hinter seinen Richterkandidaten gestellt, der mit schweren Missbrauchsvorwürfen konfrontiert ist. „Richter Kavanaugh hat Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“, schrieb Trump am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter.
Kavanaugh hatte zuvor nach dem Auftritt seines mutmaßlichen Missbrauchsopfers Christine Blasey Ford ein hochemotionales Statement abgegeben. Mit lauter Stimme verteidigte Kavanaugh sich und seinen Ruf. Mehrmals wich er jedoch Fragen aus – etwa der Frage, ob er einmal so viel getrunken habe, dass er Erinnerungslücken gehabt habe. Oder der Frage, warum er sich nicht für eine Untersuchung der Vorwürfe durch das FBI ausspricht.
Die Senatoren der Republikaner, welche die Befragung von Ford einer Staatsanwältin überlassen hatten, kritisierten indes mit lauter Stimme die demokratischen Senatoren heftig. Es handle sich um ein politisches Schauspiel, um Kavanaugh zu zerstören und die Nominierung hinauszuzögern.
Trump nennt Aussage von Kavanaugh „fesselnd“
Der aggressive Auftritt überzeugte Trump offenbar mehr als die ruhige Schilderung von Ford. Die Nachricht erfolgte wenige Minuten, nachdem die Anhörung vor dem US-Senat zu den Anschuldigungen gegen Kavanaugh endete. „Seine Aussage war stark, ehrlich und fesselnd“, so Trump. Die Strategie der Demokraten, die Ernennung des Richters für den Supreme Court zu verhindern, sei schändlich, beklagte der Präsident. Der Senat müsse nun über die Personalie abstimmen, verlangte Trump in seinem Tweet.
Die oppositionellen Demokraten haben große Vorbehalte gegen den erzkonservativen Richter und sehen eine Chance, dessen Bestätigung hinauszuzögern, bis sich nach der Zwischenwahl am 6. November möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern. Die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte im obersten US-Gericht auf viele Jahre den Konservativen ein Übergewicht geben. Die Richter dort werden auf Lebenszeit ernannt.
Am Mittwoch hatte Trump Kavanaugh weiter verteidigt, aber zugleich betont, falls er den Richterkandidaten für schuldig halte, könne er seine Meinung zu dessen Nominierung ändern. Mit Spannung war erwartet worden, wie Trump auf die Befragung vor dem Senat reagieren würde. Trump hatte sich die Übertragung der Anhörung an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One auf dem Rückflug von der UNO-Vollversammlung in New York nach Washington angesehen, wie das Weiße Haus erklärte.
Ford schilderte Missbrauch mit zitternder Stimme
Die Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford wirft Kavanaugh vor, er habe vor 36 Jahren am Rande einer Schülerparty versucht, sie zu vergewaltigen. Kavanaugh und Ford sagten am Donnerstag in einer fast neunstündigen Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats zur Sache aus – in getrennten Befragungen. Ford bekräftigte dort ihre Anschuldigungen und setzte Kavanaugh damit unter Druck: Sie betonte, sie sei zu „100 Prozent“ sicher, dass es Kavanaugh gewesen sei, der sie damals attackiert habe.
Den Tränen nahe und mit zitternder Stimme sagte sie in der live im TV übertragenen Anhörung: „Brett hat mich gepackt und versucht, meine Kleider herunterzureißen. Es war nicht leicht für ihn, weil er betrunken war und ich einen einteiligen Badeanzug unter meiner Kleidung trug. Ich habe gedacht, dass er mich vergewaltigen will. Ich habe versucht, um Hilfe zu schreien.“ Kavanaugh habe ihr den Mund zugehalten, sagte Blasey Ford. „Das hat mir am meisten Angst gemacht. Es war schwer für mich, Luft zu holen. Ich habe gedacht, dass Brett mich versehentlich töten könnte.“ Sie leide bis heute an Angstzuständen und Klaustrophobie. Am besten in Erinnerung geblieben sei ihr das schallende Gelächter von Kavanaugh und dessen Freund.
Sie habe sich zu der Aussage entschlossen, weil sie es für ihre staatsbürgerliche Pflicht halte, sagte die Psychologieprofessorin an der Universität von Palo Alto in Kalifornien.
Kavanaugh setzt auf Aggressivität
Dieser wehrte sich in einem aggressiven und aufgebrachten Auftritt gegen die Vorwürfe. Er sei unschuldig. „Ich habe niemals jemanden sexuell angegriffen“, sagte er. Bei seiner Anhörung brach Kavanaugh mehrmals in Tränen aus. Innerhalb von zehn Tagen seien seine Familie und sein Ruf wegen der Vorwürfe „vollständig und dauerhaft“ zerstört worden, sagte er. Kavanaugh beklagte sich bitterlich über die Vorwürfe gegen ihn und warf den oppositionellen Demokraten vor, eine „kalkulierte und orchestrierte“ politische Kampagne gegen ihn zu fahren, um seine Ernennung zu verhindern.
Auch Trump griff in seiner Twitter-Botschaft die Demokraten scharf an und warf ihnen eine „Strategie der Zerstörung“ vor. Sie hätten versucht, die Nominierung seines Wunschkandidaten zu „verzögern“ und zu „behindern“.
Weitere Frauen melden sich
In den vergangenen Tagen hatten noch zwei weitere Frauen den Richter sexueller Übergriffe beschuldigt. Nach den hochemotionalen Anhörungen drängen die Republikaner nun offenbar dennoch weiter auf eine schnelle Entscheidung über ihren Richterkandidaten. “Wir werden am Vormittag abstimmen und wir werden fortschreiten“, sagte der Republikanerchef im Senat, Mitch McConnell, am Donnerstagabend (Ortszeit).
Die Sitzung des Justizausschusses des Senats soll am Freitag um 15.30 Uhr MESZ beginnen. Danach muss auch der Senat insgesamt über die Berufung Kavanaughs an den Supreme Court abstimmen, dafür ist aber noch kein Termin angesetzt.
Kavanaugh war im Juli von Trump für den freien Posten am Obersten Gericht der USA nominiert worden. Die Ernennung bedarf der Zustimmung des Senats. Durch die Vorwürfe Fords zieht sich die Nominierungsprozedur länger hin als ursprünglich geplant. Inzwischen meldeten sich noch zwei weitere Frauen mit Vorwürfen sexueller Übergriffe durch Kavanaugh zu Wort. (mats/APA/AFP)