Henckel von Donnersmarck: „Letztlich geht es um Befreiung“
Wien (APA) - Durch die wechselvolle deutsche Geschichte aus der NS-Zeit heraus in die DDR und die BRD führt Florian Henckel von Donnersmarck...
Wien (APA) - Durch die wechselvolle deutsche Geschichte aus der NS-Zeit heraus in die DDR und die BRD führt Florian Henckel von Donnersmarck in seinem neuen Film „Werk ohne Autor“. Die APA sprach mit dem Oscarpreisträger („Das Leben der Anderen“) am Rande der Österreich-Premiere über den Weg in die Freiheit, die neue Oscar-Chance, warum manche Filme nicht zu lange sein können und wofür es keine Ausrede gibt.
APA: Wie ist Ihre Gemütslage angesichts der Tatsache, dass Sie nach dem Erfolg mit „Das Leben der Anderen“ 2007 nun nächstes Jahr wieder als deutscher Kandidat für den Auslandsoscar ins Rennen gehen?
Florian Henckel von Donnersmarck: Das ist natürlich sehr aufregend. Bei Sachen, die sich außerhalb meiner Kontrolle befinden, gehe ich immer vom Schlechtesten aus. Ich war mir zum Beispiel sicher, dass wir nicht ins Oscarrennen geschickt werden. Jetzt sind wir es, und das ist eine freudige Überraschung. Jetzt bin ich mir aber genauso sicher, dass daraus keine Nominierung erwachsen wird. Wenn es dann doch geschieht, bin ich freudig überrascht. Ich sage das aber nicht nur so, sondern gehe wirklich immer vom Schlechtesten aus. Ich glaube, das ist am gesündesten.
APA: Sie nehmen sich in „Werk ohne Autor“ der NS-Zeit und der DDR an. Woher kommt die Faszination für diese so umbruchreichen Epochen?
Henckel von Donnersmarck: Ich glaube, dass diese Diktaturen irgendwie Symbole für etwas sind, wovon man sich befreien muss. Wir sind alle in unserem Leben dazu aufgerufen, uns von verschiedenen Dingen zu befreien, die versucht haben, uns zu beeinflussen.
APA: Wann wurde Ihnen klar, dass sich diese Geschichte gut durch eine Art Künstlerbiografie erzählen lässt?
Henckel von Donnersmarck: Letztlich geht es in dem Film um Befreiung. Um einen Künstler, der versucht, zum freien Ausdruck zu finden. Am Anfang sind es die Nazis, die versuchen, ihm zu sagen, wie Kunst sein soll. Dann sind es die Kommunisten, die ihm sagen: „Nein, nein, die Nazis irren sich. Die Kunst muss so sein.“ De facto ist es aber genau das Gleiche. Es ist eben alles immer unfrei. Deshalb ist auch die Nazi-Kunst und die kommunistische Kunst so unglaublich uninteressant - weil sie nicht frei ist und niemand danach sucht, was in ihm drinnen steckt!
Dann flieht er in den Westen, hat plötzlich keine Vorgaben mehr, muss wirklich nur nach innen schauen und sich von allem lösen, was ihm beigebracht wurde. Trotzdem muss er mit seiner Lebensgeschichte arbeiten. Ich glaube, so geht es uns allen ein bisschen.
APA: Genau auf diesem Weg zur Selbstfindung ist der Künstler Kurt Barnert sehr stark mit dem von Sebastian Koch verkörperten Professor Seeband konfrontiert, der wie ein Geist im Hintergrund steht und auch ganz direkt beeinflusst. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, diese Zeitwenden mit diesen zwei sehr unterschiedlichen Männern durchzuspielen?
Henckel von Donnersmarck: Ich fand das Duell zwischen einem Schwiegervater und einem Schwiegersohn sehr interessant. Der Schwiegervater, der seine ganze Macht, Intelligenz, sein ganzes Geld und seine Stellung daran setzt, den Schwiegersohn, der ein zarter, junger, suchender Künstler ist, zu zerstören. Es erschien mir als sehr ungleicher Kampf. Ich fand es aber spannend zu sehen, wie vielleicht dann der David diesen schrecklichen Goliath mit seinen Mitteln - mit den Mitteln der Kunst - besiegen kann.
APA: Hatten Sie für diese beiden Kontrahenten Sebastian Koch und Tom Schilling schon beim Schreiben im Kopf?
Henckel von Donnersmarck: Ja, Sebastian Koch hatte ich tatsächlich schon davor im Kopf. Ich bin zu ihm hingegangen und habe ihm gesagt: „Ich schreibe dieses Drehbuch nur, wenn du mir zusagst, dass du den furchtbaren Nazimörder, den schrecklichen Kommunisten spielst.“ Er sagte: „Wieso den schlimmen Bösewicht?“ Ich meinte: „Weil nur du ihn uns verkaufen kannst. Weil man ihm gar nicht würde zuschauen wollen, wenn er nicht auch sehr charmant sein kann.“
APA: Und bei Kurt Barnert?
Henckel von Donnersmarck: Für die Rolle des Schwiegersohnes habe ich lange, lange gesucht, bis ich den perfekten, hochsubtilen Tom Schilling gefunden habe. Das muss dann auch zusammenpassen. Man muss den beiden auch einfach gerne zuschauen. Tom Schilling ist ein Schauspieler, der komplett mit seinen Augen spielen kann. Er sagt ja auch in dem Film kaum etwas und muss das alles in Gesten und Blicken vermitteln können - und das kann er ganz großartig.
APA: „Werk ohne Autor“ ist nun mehr als drei Stunden lang geraten, und Sie gehen einen weiten Weg. Hatten Sie irgendwann im Laufe der Produktion die Befürchtung, dass das Publikum vielleicht nicht ganz mitmachen könnte?
Henckel von Donnersmarck: Ich habe noch nie einen Film gesehen, den ich mochte, und der mir zu lang erschien. Ich habe auch noch nie einen Film gesehen, den ich nicht möchte, der kurz genug war. Ich glaube, dass Länge etwas sehr Relatives ist. Als „Titanic“ herauskam, stand in der Zeitung: „Der Film dauert zwei Stunden und 75 Minuten“, um den Leute vorzugaukeln, dass er eben nur zwei Stunden und irgendwas lang ist. Mir kam er aber nicht lang vor! Ich hätte auch noch eine Stunden weiterschauen können - genauso wie bei „Schindlers Liste“ oder „Der Pate - Teil II“. Ich habe jetzt mal nachgelesen. Mir war gar nicht klar, dass die so lang waren, weil sie mich einfach interessiert haben.
APA: Mit „Werk ohne Autor“ legen Sie einen doch sehr europäischen Film vor. Ist das für Sie persönlich auch ein Schritt zurück nach Europa?
Henckel von Donnersmarck: Europa trage ich immer in mir. Ich bin nun einmal Deutscher und Österreicher, und das ist doch sehr stark Teil meiner Identität. Aus den zahllosen Filmen, die mir in Hollywood angeboten wurden, konnte ich mich eben nicht mit irgendwelchen Superhelden anfreunden, sondern habe da einen Film angenommen („The Tourist“, Anm.), der in Venedig spielte und wo die Figuren alle Europäer waren. Gleichzeitig fasziniert mich am amerikanischen Filmemachen, dass da alles darauf ausgelegt ist, nicht zu langweilen. Ich denke manchmal, dass in Europa viele Leute das Gefühl haben: „Ach, Langweilen ist nicht so schlimm.“ Ich finde für einen Film - oder für irgendetwas - ist zu langweilen ein genauso großes Verbrechen wie für einen Menschen zu stinken. Es gibt dafür keine Ausrede! (lacht)
APA: Sie haben zusammen mit dem US-Regisseur Sam Raimi eine Produktionsfirma gegründet. Was planen Sie in dem Zusammenhang?
Henckel von Donnersmarck: Mich würde es natürlich sehr reizen, auch anderen Regisseuren zu ermöglichen, gerade die großen Kinofilme zu machen, die sie gerne machen wollen. Darum haben wir die Firma gegründet. Wir hatten eine fabelhafte chinesische Gruppe, die sich hinter die Firma gestellt hat und auch finanzieren wollte. Jetzt ist das gerade etwas wackelig, weil sie jetzt doch bestimmte chinesische Inhalte wollen. Wir können uns natürlich inhaltlich gar nicht dreinreden lassen, also müssen wir da vielleicht nochmals umdenken.
(Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA)