Bowie in der Leichenhalle: Wenig erhebender „Lazarus“ in Linz
Linz (APA) - Kann David Bowies Musical „Lazarus“ überhaupt funktionieren? Diese Frage stellt man sich nach der österreichischen Erstaufführu...
Linz (APA) - Kann David Bowies Musical „Lazarus“ überhaupt funktionieren? Diese Frage stellt man sich nach der österreichischen Erstaufführung im Wiener Volkstheater nun auch in Linz nach der Premiere am Donnerstagabend. Im Großen Saal des Musiktheaters inszeniert Johannes von Matuschka das Vermächtnis des im Jänner 2016 verstorbenen Stars als kühle Meditation in der Leichenhalle. Ein ermüdendes Unterfangen.
Meterhoch ragen die schmucklosen Metalltürchen in die Höhe. Im leeren Saal der Leichenhalle steht ein verlorener Seziertisch mit einem schwarzen Leichensack, in dem es zu rumoren beginnt. Plötzlich steigt ein nackter Mann heraus und macht sich daran, in einem Wäschesack nach Kleidung zu suchen. Er ist wieder da. Oder noch immer. Es ist Thomas Jerome Newton aus dem Film „The Man Who Fell to Earth“, in dem David Bowie im Jahr 1976 einen humanoid-reptiloiden Außerirdischen gab, der auf die Erde gekommen ist, um nach Wasser für seinen Planeten zu suchen. Das Musical „Lazarus“ setzt 40 Jahre später ein. Newton ist geblieben, hat mit verschiedenen Firmen ein Vermögen gemacht und wünscht sich nichts mehr, als auf seinen Planeten zurückzukehren. Alkoholkrank und mit gebrochenem Herzen fristet er sein Dasein.
Noch vor der Kulisse des Leichenschauhauses trifft Newton, den Riccardo Greco als charmebefreiten Normalo ohne jegliches Charisma verkörpert, auf seine Assistentin Elly, die sich alle Mühe gibt, es ihrem Gin saufenden Chef recht zu machen. Doch auch Ariana Schirasi-Fard scheint mit ihrem wilden Lockenkopf und verpeilten 70er Jahre-Klamotten ein wenig neben sich zu stehen. Bald findet sie sich in direkter Konkurrenz zu einer jungen Frau, die nur Newton sehen kann. Sie erinnert ihn an seine große Liebe Mary-Lou und gaukelt ihm vor, ihn retten zu können. Wirklich verführerisch oder gar glaubwürdig wirkt Hanna Kastner in ihrer blonden Perücke und ihrem kurzen Röckchen nicht.
Dazwischen gibt es - schließlich handelt es sich um ein Musical - auch Musik. Unter der Leitung von Christopher Mundy gibt die auf der Bühne nicht sichtbare Band den glattgebürsteten Sound von Bowie-Songs wie „The Man Who Sold The World“, „Where are we now?“ oder „Life on Mars“ zum Besten. Dies gelingt vor allem in jenen Momenten, in denen Schirasi-Fard den Gesangspart übernimmt. Ihre kräftige, nuancierte Interpretation der Bowie-Hits lässt so etwas wie Gänsehaut aufkommen. Zu blass bleibt hingegen Hanna Kastner, Riccardo Greco führt seine darstellerische Farblosigkeit ansatzlos auch stimmlich weiter.
Die Hauptattraktion des zweieinhalbstündigen Abends ist schließlich das Bühnenbild von Christoph Rufer, das von den Visuals des Ars Electronica Futurelab zum Leben erweckt wird: Da flimmern Bildschirme auf den Leichensaal-Türchen, tanzen Striche und Punkte im Takt von Bowie-Hits und regnen Sterne aus dem Nichts. Und so tritt das modulare Bühnenbild im Laufe dieser Inszenierung, der es nicht zuletzt durch die stark gekürzten Zwischendialoge an kohärenten Handlungsabläufen fehlt, immer mehr in den Vordergrund. Da ist es fast schon egal, dass man nicht so richtig versteht, wer eigentlich dieser Valentine (Carsten Lepper) ist und was es mit „der Japanerin“ (Aoi Yoshida) auf sich hat. Ein paar untote Mädchen gibt es auch, sie sorgen immer wieder für latent aufblitzenden Grusel-Faktor.
Trotz der optischen Opulenz und der zahlreichen Hits vermag der Abend nicht zu verzaubern. Allzu verfremdet und belanglos kommen die Songs daher, zu verfahren und auf einzelne Bilder konzentriert ist die Regie, um die Geschichte so zu erzählen, dass im Auditorium so etwas wie Empathie aufkommen könnte. Vielleicht liegt es aber einfach auch nur daran, dass Bowie-Songs in ihrer Komplexität einfach nur im Original die gewohnte Kraft entfalten und die Abfolge der Lieder nicht zwingend einen abendfüllenden Handlungsbogen spannt. Entsprechend freundlich fiel der Applaus aus, vereinzelt aufbrandender Jubel war wohl dem Gedenken an Bowie selbst zu verdanken.
(S E R V I C E - „Lazarus“, Musik und Gesangstexte von David Bowie, Buch von Enda Walsh nach „The Man Who Fell to Earth“ von Walter Tevis, Musikalische Leitung: Christopher Mundy, Inszenierung: Johannes von Matuschka, Choreografie: Wei-Ken Liao, Bühne: Christoph Rufer, Kostüme: Tanja Liebermann, Mediadesign: Ars Electronica Futurelab. Mit Riccardo Greco (Newton), Christian Fröhlich (Michael), Hanna Kastner (Mädchen), Ariana Schirasi-Fard (Elly) u.a. weitere Termine im Linzer Musiktheater, Großer Saal, am 29. September, 6., 10., 12., 14., 16., 17., 19., 20. und 26. Oktober. https://www.landestheater-linz.at/stuecke)