„May sitzt zwischen den Stühlen“
Innsbruck — Vor dem Parteitag der Tories in Birmingham, bei dem Premierministerin Theresa May um ihr politisches Überleben kämpfen muss, spr...
Innsbruck — Vor dem Parteitag der Tories in Birmingham, bei dem Premierministerin Theresa May um ihr politisches Überleben kämpfen muss, sprach die Tiroler Tageszeitung mit der Politologin Melanie Sully, Direktorin des Instituts für Go-Governance in Wien und frühere Gastprofessorin am Institut für Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck, über die harten Fronten in den Brexit-Verhandlungen, Enttäuschungen und eine Premierministerin, die zunehmend unter Druck gerät.
Auch die österreichische EU-Ratspräsidentschaft konnte bei den festgefahrenen Brexit-Verhandlungen bisher keine Fortschritte erzielen. Ganz im Gegenteil: Nach dem EU-Gipfel in Salzburg gab es harsche Kritik aus London in Richtung der europäischen Verhandler. Was erwartet sich London?
Melanie Sully: Premierministerin May und ihre Regierung hätten sich eine Antwort auf ihren vorgelegten Chequers-Plan erwartet. In London erhoffte man sich Bewegung in den Verhandlungen, neue Initiativen von Seiten der EU-Staaten, die in Hinsicht auf den nahenden Brexit unterschiedlich betroffen sind und unterschiedliche Interessen verfolgen. Doch es hat keine Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten gegeben, die EU-Kommission hat die alleinige Kontrolle über die Verhandlungen übernommen. Und von Seiten der EU hören die Briten nur, was nicht geht. Auf Gegenvorschläge haben sie bisher vergeblich gewartet. Beide Seiten haben sich in eine Sackgasse hineinmanövriert.
Premierministerin May ist mit ihren Brexit-Plänen bei der EU abgeblitzt. Und auch innerparteilich wird kräftig an ihrem Stuhl gesägt. Wie kommt sie aus der Zwickmühle wieder heraus?
Sully: May sitzt zwischen den Stühlen. Sie wollte mit einer Kombination aus dem kanadischen und norwegischen Modell alle Seiten zufrieden stellen. Doch May findet sich ziemlich alleine in der Mitte wieder. Das Land ist in Sachen Brexit total polarisiert und auf beiden Seiten wird kräftig mobilisiert. Auf dem Parteitag ihrer Tories wird sie eine harte Linie gegenüber der EU vertreten und Zugeständnisse an den rechten Rand der Partei machen müssen. Da wird sie sich wohl einer scharfen Rhetorik gegenüber Brüssel bedienen. Für May ist der Parteitag eine Gratwanderung zwischen den Befindlichkeiten der EU, der eher europafreundlichen Parlamentsfraktion und den Parteimitgliedern, die eine harte Linie fordern.
Kommt es zu Neuwahlen?
Sully: Neuwahlen können an der verfahrenen Situation wenig ändern. Und die Hürden sind hoch. Um Neuwahlen ausrufen zu können, müssten zwei Drittel aller Parlamentarier zustimmen.
Das Gespräch führte Christian Jentsch.