Burgtheater

Glaube, Liebe, Hoffnung: Totentanz für Sünderin wider Willen

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„Glaube Liebe Hoffnung“ am Burgtheater: Michael Thalheimer bleibt auf Distanz zu Horváths Menschen-Zoo.

Von Bernadette Lietzow

Wien –Die wenigen zaghaften Buhs, die, der Regie geltend, am Ende dieser samstägigen Horváth-Premiere am Burgtheater zu vernehmen sind, dürfen oder müssen sogar sein. Michael Thalheimer, der zuletzt Aischylos’ „Die Perser“ in Wien inszenierte, hat sich Horváths „kleinen Totentanz in fünf Bildern“, das 1932 verfasste Drama „Glaube Liebe Hoffnung“, vorgenommen.

Mit nicht zu verkennender Entschlossenheit schabt und schält er an der Vorlage, bis nur noch ein Gerippe übrigbleibt, an dem einige Fitzelchen von Horváths so feinfaserigem Menschenfleisch hängen. Die beharrlichste Faser ist die Elisabeth der beeindruckenden Andrea Wenzl, ihr gesteht der Regisseur zu, ein Geschöpf aus Fleisch und Blut, Gefühl und Empfindung zu sein. Sie ist in ihrem Spiel ganz bei sich und ganz die im Grunde starke Miederwaren-Vertreterin, die an ihrem guten Glauben, „die Hoffnung nicht sinken lassen zu dürfen“, schlussendlich zugrunde geht. Wenzls Elisabeth ist die Wärmequelle, das „Lebewesen“ bei Thalheimer, immer wieder bedeutungsvoll im Zentrum des Lichtkegels, den eine Art Ellipse auf Olaf Altmanns stockdunkle und vollkommen leere Bühne wirft. Mit Blümchen übersät ist das Sommerkleidchen, das so viel leichter ist als die Existenz der Trägerin, die 150 Mark für ihren Wandergewerbeschein benötigt, dafür ihren Körper der Anatomie vermachen will und vom verschrobenen Präparator (Falk Rockstroh) Geld geliehen bekommt, dessen Zweckentfremdung zur Begleichung einer Strafe ihr Schicksal tragisch besiegeln wird. Abhängigkeiten, nicht zuletzt von Frau Prantl (Christiane von Poelnitz), der geschäftstüchtigen Damenwäsche-Erzeugerin, sind Elisabeths Los, trotzdem versucht sie zunehmend verzweifelt, an der Idee eines (auch von Männern) un-abhängigen Lebens festzuhalten.

Zu Rod Stewarts „Broken Dream“ (dazu gesellen sich später in einer äußerst sonderbaren Musikauswahl noch Led Zeppelin und Janis Joplins Interpretation von „Summertime“) lässt Thalheimer diese schon früh gefährlich lebenskluge Frau Pirouetten drehen – puppenhaft unfrei wie Jacques Offenbachs Automaten-Olympia. Vernünftig, nicht resigniert schlüpft Wenzls Figur in die Rolle der braven Schupo-Verlobten, gibt ihrem Alfons (Merlin Sandmeyer) artig Kaffee und Küsschen, bis sie von ihm fallengelassen wird wie ein heiße Kartoffel, an der er sich seine Beamtenkarriere-Finger verbrennen könnte. Groß sind solche Momente, bedrückend, wenn der Kübel Wasser, den sie sich übergießt, ausreicht, um den Freitod im Fluss zu bebildern, wenn sie die letzte Semmel ausspuckt und der Wiederbelebung trotzend beschließt, die Erde, in der sie keinen Platz zu haben scheint, zu verlassen.

Wenzl darf und kann virtuos „Person“ sein, während sich ihre Mitstreiter in gleichsam vorgestanzten Charakter-Figurinen zurechtfinden müssen. Poelnitz’ Irene Prantl und Alexandra Henkels Frau Amtsgerichtsrat dürfen nicht viel mehr verkörpern als schrille Tanten, die wie zwei Kanarienvögel im Kleinbürgerkäfig ihre Köpfe zusammenstecken. Aus dem Kreis der Präparatoren kann sich Falk Rockstroh etwas entfalten, Branko Samarowski und Marcus Kiepe sind zu Chargen verdammt, ähnlich der zwielichtige Baron (Robert Reinagl) oder Michael Masulas Oberinspektor.

Leider darf auch Merlin Sandmeyer seinen so vielversprechend jämmerlichen Alfons nicht ausspielen. Plakativ rottet sich diese Schar pflichtbewusster, dem „Staat“ gehorchender „Bürger“ am Ende zusammen, während das „Individuum“ sein Leben aushaucht. Ein für den Großteil des hervorragenden Ensem­bles mutmaßlich eher unbefriedigender Abend, der sich Horváths Menschen-Erzählung verweigert.

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