Die Welt als Trichter: „Glaube Liebe Hoffnung“ im Burgtheater

Wien (APA) - Wie ein Sterntalermädchen sieht sie aus, diese Elisabeth im hübschen, hellen, geblümten Sommerkleid. Sie steht unter einem ries...

Wien (APA) - Wie ein Sterntalermädchen sieht sie aus, diese Elisabeth im hübschen, hellen, geblümten Sommerkleid. Sie steht unter einem riesigen, Ufo-ähnlichen Trichter, aus dessen Öffnung hartes Licht auf sie fällt. Doch nichts Gutes kommt von oben. Sie wird nicht im Talerregen reich, sondern im Sprühregen nass. Im eiskalten Wasser wird sie ihr Leben beenden. „Glaube Liebe Hoffnung“? Der blanke Hohn!

„Die größtmögliche Leere“ hatte der deutsche Regisseur Michael Thalheimer für seine Inszenierung des bekannten Stückes von Ödön von Horvath am Burgtheater versprochen, eine Verlorenheit, „hineingeboren in diese Welt, wie bestellt und nicht abgeholt“. Das ist ihm und seinem Bühnenbildner Olaf Altmann tatsächlich gelungen, wie man sich bei der Premiere am Samstagabend überzeugen durfte. Außer dem Lichtkegel gibt es nichts, was die weite Spielfläche strukturiert. Nichts zum Anhalten, nichts zum Verstecken. Aus diesem schwarzen Nichts kommt das Schicksal ansatz- und erbarmungslos. Viel Platz zum Fallen. Ins Nichts.

„Das Nichts selber nichtet“, heißt es bei Martin Heidegger. Der Horvath-Exeget Thalheimer dagegen zeigt: Das Nichts vernichtet. Und weil der vierfache Nestroy-Preisträger das beherrscht, was gute Regisseure auszeichnet, nämlich einen ästhetischen Rahmen vorgeben, in dem sich Schauspieler entfalten können, und mit diesen Bilder finden, die den Text vergrößern und unterstreichen, werden daraus dichte eindreiviertel Stunden, die uns diesen „kleinen Totentanz“ trotz der Weite der Bühne sehr nahe bringen.

Andrea Wenzl zeigt als Elisabeth, eines der berühmtesten Horvath-Fräulein, Selbstbewusstsein und Muskeln. Sie ist kein armes Hascherl, sondern eine starke Schmerzensfrau, die gegen die Männerwelt und den von ihr aufgerichteten Wall unmenschlich exekutierter Gesetze keine Chance hat. „Ich lasse den Kopf nicht hängen“, wiederholt sie mantraartig. Doch mit jeder neuen Strategie, die ihr vorübergehend eine Atempause verschafft, gerät sie tiefer ins Schlamassel.

Dass die Männer der Mieder- und Büstenhalter-Vertreterin nur an die Wäsche wollen, verdeutlicht Thalheimer mit einigen Zuspitzungen, darunter einer sonst nicht gespielten Szene, in der Elisabeth von einem Mann (Daniel Jesch), der sie mit dem Auto mitnimmt, vergewaltigt wird. Für die Menschen, die Elisabeth auf ihrem Leidensweg begegnen, hat Thalheimer einen expressiven Spielstil festgelegt, der die Verschiebungen von Horvaths Sprache in Verrenkungen des Körpers transponiert. Das vernachlässigt die poetischen, märchenhaften Züge des Stücks und verstärkt das Groteske, Bösartige. Das muss man nicht mögen. Wirkungsvoll ist es jedenfalls.

Die übrigen Damen, von der Wandergewerbetreibenden Irene Prantl (Christiane von Poelnitz) über die Frau Amtsgerichtsrat (Alexandra Henkel) bis zu Maria (Irina Sulaver) sind exaltierte, grelle Figuren, bei den Herren reicht das Register von präzise gezeichneten Miniaturen wie dem Oberpräparator des Branko Samarovski und dem Amtsgerichtsrat des Peter Matic bis zur prallen Karikatur des Barons mit dem Trauerflor von Robert Reinagl. Ein nuancierte Gesten-Choreografie entwickeln dagegen Merlin Sandmeyer als Schupo und Falk Rockstroh als Präparator: Ihnen gelingen zwei facettenreiche Darstellungen ganz unterschiedlicher Männer in all ihren Verklemmungen und Sehnsüchten.

Thalheimer hat sich auch kurze, einprägsame Zwischenszenen einfallen lassen. Zu lauten Zwischenmusiken von Bert Wrede (der u.a. auf „Summertime“ zurückgreift) zeigt er dabei Elisabeth im Scheinwerferkegel, tanzend, ekstatisch, verzweifelt, während Heerscharen von Statisten - mal mit Fleischerschürzen, mal in Uniformen - die Bühne überqueren. Sie strukturieren einen von starken Bildern geprägten starken Abend, der am Ende mit viel Applaus bedacht wurde.

(S E R V I C E - „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horvath, Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Katrin Lea Tag, Musik: Bert Wrede. Mit: Andrea Wenzl - Elisabeth, Merlin Sandmeyer - Ein Schupo (Alfons Klostermeyer), Branko Samarovski - Oberpräparator, Falk Rockstroh - Präparator, Marcus Kiepe - Vizepräparator, Robert Reinagl - Der Baron mit dem Trauerflor, Christiane von Poelnitz - Irene Prantl, Alexandra Henkel - Frau Amtsgerichtsrat, sowie mit Peter Matic, Hermann Scheidleder, Irina Sulaver, Michael Masula, Christoph Radakovits, Stefan Wieland, Tino Hillebrand und Daniel Jesch. Burgtheater, Nächste Aufführungen: 30.9., 7., 9., 10., 14.10., Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at)