Erstens kommt es anders ... - Wolfgang Popps Roman „Die Ahnungslosen“

Wien (APA) - Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt - diese Erfahrung lässt Wolfgang Popp die Figuren seines neuen Romans „Die A...

Wien (APA) - Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt - diese Erfahrung lässt Wolfgang Popp die Figuren seines neuen Romans „Die Ahnungslosen“ durchleben. Sie alle sind in eine Art inneres Roadmovie verstrickt. Jeder versucht anzukommen, unterstützt oder gehindert vom Zufall. Popp seziert die uns alle umgebenden Beziehungsgeflechte; wo das Buch aber hinführt, bleibt rätselhaft.

Die Kapitel reihen sich als Kurzgeschichten wie Perlen an einer Schnur aneinander, stets aus dem Blickwinkel einer Figur erzählt, was die inneren Vorgänge begreiflich macht. Da ist Tim, Ausstatter beim Film, der vor der großen USA-Reise mit Musiker Raul kalte Füße bekam und für seine Freundin Su nun doch in die Ferne aufbricht, wo er fasziniert in das bewegte Leben von Sus Tante Klarissa eintaucht. Die von Gastronom Christian geschiedene Eventmanagerin Kri verliebt sich in ihren schwulen Schulfreund Alf, bevor sie zu Künstler Walt findet, der zuvor mit Dio eine Affäre hatte, die mit Christians bestem Freund Flo verheiratet ist.

Walt ist zudem der Bruder von Papierhändlerin Karoline, die sich auf Raul einlässt und die Kraft findet, sich von ihrem verstorbenen Vater zu verabschieden. Christians Freundin Lara, Walts Galeristin, schließt dank Putzfrau und „Hexe“ Martha, die zuvor bei Dio und Flo gearbeitet hat, Frieden mit den Teenager-Kindern ihres Freundes - und immer so weiter. Martha mit ihrem großen Scharfblick für menschliche Beziehungen hält fest: „Weil (...) jeder Mensch seinen ganz eigenen Zufall hat, der ihm wie ein Schatten folgt, und die sind so verschieden, dass man es sich gar nicht vorstellen kann.“

Popps Figuren sind im Übergang, spielen als Teil von Netzwerken - als Familienmitglieder, als Freunde, als Geliebte, als Arbeitgeber und -nehmer - ihre Rollen. Ihre Beziehungen knüpfen sich geführt vom Zufall neu, lösen oder verfestigen sich. Man muss sich entscheiden: Soll man versuchen, die Zeit zurückzudrehen oder lässt man die Vergangenheit hinter sich und beginnt etwas Neues? Durchsetzt von Anspielungen auf Popsongs und mythologische Geschichten webt der 1970 in Wien geborene Popp, der bei Ö1 als Kulturredakteur arbeitet, aus der Psyche seiner Figuren einen schön zu lesenden, bildreichen Text.

Allerdings schwirrt einem als Leser aufgrund der Vielzahl an Figuren und der nicht aufhörenden Kette an Kausalitäten bald der Kopf. Leider bedeutet das auch, dass sich der Autor um keine Figur richtig kümmern kann, wo man doch von einigen Protagonisten gerne mehr gehört hätte, während man andere als überflüssig empfindet. So hat das sich munter drehende Karussell auch zur Folge, dass einem keine Figur länger im Gedächtnis bleibt und das Buch den Leser zurücklässt, ahnungslos auf seine Weise.

(S E R V I C E - Wolfgang Popp: „Die Ahnungslosen“, edition atelier, 280 Seiten, 24 Euro; Lesung morgen, Dienstag, 9.10., 19 Uhr, im tiempo nuevo, Wien 2, Taborstraße 17A)