„Großes Ereignis“: Georgien freut sich auf Pirosmani-Schau in Wien

Tiflis/Wien (APA) - Monet? Natürlich! Munch Chagall Picasso? Freilich! Niko Pirosmani? Niko wer? Die Albertina setzt ab 26. Oktober nicht au...

Tiflis/Wien (APA) - Monet? Natürlich! Munch Chagall Picasso? Freilich! Niko Pirosmani? Niko wer? Die Albertina setzt ab 26. Oktober nicht auf einen der Big Names der Kunstgeschichte, sondern auf die Entdeckung eines Malers, der mit Gustav Klimt nur die Lebensdaten teilt. In seinem Heimatland Georgien ziert der Künstler Banknoten und füllt Museumssäle. In Tiflis sind die Erwartungen an die kommende Ausstellung groß.

„Die Werke Pirosmanaschwilis zählen zum nationalen Kunstschatz unseres Landes“, versichert Mikheil Giorgadze im Gespräch mit der APA. Der ehemalige Kulturminister Georgiens, in der jüngsten Regierungsumbildung zum ersten stellvertretenden Minister herabgestuft, ist in die Georgische Nationalgalerie gekommen, um bei einer Pressekonferenz „ein großes Ereignis“ zu verkünden: 29 Werke aus dem 152 Bilder umfassenden Pirosmani-Bestand des Museums werden an die Albertina verliehen, „eines der bedeutendsten Museen der Welt“. „Ich bin sicher, dass das der Beginn einer internationalen Wiederentdeckung dieses Künstlers sein wird.“ Für Giorgadze ist die Schau in Wien die Fortsetzung der Kultur-Offensive Georgiens als Gastland der Frankfurter Buchmesse. Dort wird in den kommenden Tagen auch der Wiener Pirosmani-Katalog noch vor der Ausstellung präsentiert.

Beim Rundgang durch einen Saal der Nationalgalerie wird auf den ersten Blick ist klar, warum Pirosmani (1862-1918) als nationales Kulturerbe gilt. Auf seinen Bildern ist das georgische Landleben in märchenhaften Szenen und naivem Stil festgehalten: Weinbauern bei der Ernte und beim Zerstampfen der Trauben in großen Trögen, große Festtafeln, an denen bärtige Männer dem Betrachter zuprosten. Die landestypischen Quevris, tönerne Gefäße zum Vergären des Weins nach einer auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommenen urtümlichen Methode, sind ebenso wiederkehrende Motive wie Esel oder Bären. Es gibt jedoch auch Tiger, Kamele, eine berühmt gewordenes Giraffen-Bild. In natura hat Pirosmani diese exotischen Tiere wohl nie gesehen, denn der Zoo von Tiflis wurde erst nach seinem Tod gegründet und der Maler hat sein Land nie verlassen.

So stolz das Land heute auf ihn ist, so sehr war er Zeit seines Lebens ein Außenseiter. „Wir haben nicht viele Lebensdokumente, gar keine Briefe“, sagt Nationalgalerie-Direktorin Eka Kiknadze. „Wir wissen nicht viel über ihn, nicht einmal, wo er begraben ist. Was wir haben sind jedoch seine Bilder.“ Diese hat der Sohn einer Bauernfamilie aus Kachetien nach dem Scheitern seiner Berufsambitionen als Schaffner der Transkaukasischen Eisenbahn oder als Betreiber eines Milchgeschäfts als Wandermaler von Dorf zu Dorf ziehend angeboten oder in Auftrag für Ladenbesitzer oder Gastwirte gemalt. Der Autodidakt bekam dafür nicht viel - meist bloß Kost und Quartier.

Die akademisch gebildete Kunstszene zeigte sich skeptisch. „Er war ein netter, scheuer, umgänglicher Mensch“, sagt Kunsthistorikerin Mariam Dvali. „Als eine Karikatur erschien, die sich darüber lustig machte, wie viele Künstler ihn als Kollegen abgelehnt haben, hat es ihm fast das Herz gebrochen.“ Späte Anerkennung erfuhr Pirosmani dagegen in Moskau: 1913 wurde er in einer Ausstellung der Gruppe „Zielscheibe“, die sich auf volkstümliche Traditionen, auf Ikonen- und Schildermaler berief, Seite an Seite mit Natalia Gontscharowa, Michail Larionow, Kasimir Malewitsch und Marc Chagall als „Rousseau des Ostens“ präsentiert.

Über diesem Umweg wurde man über 100 Jahre später in der Albertina auf Pirosmani aufmerksam. „Bei der Vorbereitung unserer Ausstellung ‚Die russischen Avantgarden‘ 2016 haben wir gemerkt, wie wichtig er für die russischen Künstler war“, erzählt Kuratorin Elisabeth Dutz. „Da haben wir uns entschlossen, ihm eine eigene Ausstellung zu widmen.“ Als Unterstützung hat man sich die prominente Schweizer Kuratorin Bice Curiger geholt.

Die ehemalige Direktorin der Biennale Venedig und derzeitige Leiterin der Fondation Vincent van Gogh in Arles hat schon 1995 Pirosmani im Kunsthaus Zürich in der Ausstellung „Zeichen und Wunder“ „wie ein Meteorit in der Gegenwartskunst einschlagen lassen“, wie Curiger schmunzelnd erzählt. „Ich habe ihn damals inmitten von Künstlern wie Jeff Koons und Katharina Fritsch als Störfaktor eingebaut. Wir dürfen nicht vergessen: Nur Dank der Avantgarde wissen wir heute überhaupt von ihm. Ohne sie wäre er vermutlich vergessen worden.“

Auch in Wien wird man neben Pirosmanis Werken auch eine Arbeit von Kiki Smith, ein neues Doppelporträt von Georg Baselitz und Werke anderer Künstler zeigen, die sich auf Niko Pirosmani bezogen haben. „Pirosmanaschwili nicht im Kontext der naiven und primitiven Kunst, sondern in seiner Wirkung auf die Moderne Kunst zu zeigen, ist ein tolles Konzept, das ich sehr begrüße“, ist Vize-Minister Giorgadze begeistert.

Eine weitere ungewöhnliche Brückenschlag zur Gegenwartskunst hat der junge, aus Rumänien stammende Unternehmer Ciprian Adrian Barsan initiiert, der mit seiner Pirosmani-Begeisterung und seiner in Wien ansässigen Infinitart Foundation eine der treibenden Kräfte hinter der Ausstellung ist und auch einen 2019 erscheinenden zweibändigen Werkkatalog finanziert: Der japanische Architekt und Pritzker-Preisträger Tadao Ando hat einen sieben Meter langen Tisch entworfen, der auf eine Rede Pirosmanis Bezug nimmt. Alles, was man brauche, sei ein Haus im Zentrum von Tiflis und einen langen Tisch, an dem man über Kunst reden könne, hat dieser einst gemeint.

Andos Tisch soll in Ausstellung hundert Jahre nach Pirosmanis Tod aber auch die Aufgabe eines symbolischen Grabs übernehmen. Ein Grabstein existiert nämlich nicht. Am 9. April 1918 ist der Außenseiter in einem Kellerraum in Tiflis einsam und ohne Hilfe an Leberversagen und Unterernährung gestorben. Bestattet wurde er auf dem St. Nino-Friedhof in einem heute nicht mehr lokalisierbaren Armengrab.

(S E R V I C E - „Niko Pirosmani - Wanderer zwischen den Welten“, Ausstellung von 26. Oktober 2018 bis 27. Jänner 2019 in der Albertina.)

(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen im Pressebereich von www.albertina.at zum Download bereit.)