Weltklimarat fordert Umsteuern zur Begrenzung der Erderwärmung

Incheon/Wien/Brüssel (APA/AFP/dpa) - Der Weltklimarat IPCC hat größere Anstrengungen angemahnt, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenze...

Incheon/Wien/Brüssel (APA/AFP/dpa) - Der Weltklimarat IPCC hat größere Anstrengungen angemahnt, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Notwendig seien „schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“, heißt es in einem am Montag veröffentlichten IPCC-Sonderbericht. Damit steigt der Druck auf die EU-Umweltminister, die am Dienstag über Klimaziele und CO2-Grenzwerte für Autos beraten.

Sollte das 1,5-Grad-Ziel verfehlt werden, drohen dem Bericht zufolge dramatische Folgen für das Leben auf der Erde. Die 91 Autoren aus 40 Staaten verwiesen darauf, dass bereits die schon eingetretene Erwärmung von etwa einem Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau mit erheblichen Folgen wie häufigerem Extremwetter, steigendem Meeresspiegel und dem Verschwinden arktischen Meereises verbunden sei. Der Bericht wurde im Anschluss an eine mehrtägige IPCC-Sitzung in der südkoreanischen Küstenstadt Incheon präsentiert.

Während früher davon ausgegangen wurde, dass bei einer Erwärmung um zwei Grad die Folgen der Erderwärmung noch halbwegs kontrollierbar sein dürften, erklärte nun der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II des IPCC, der deutsche Klimaforscher Hans-Otto Pörtner: Jede weitere Erwärmung, besonders über 1,5 Grad hinaus, „vergrößert die Gefahr langanhaltender oder nicht mehr umkehrbarer Veränderungen wie etwa dem Verlust von Öko-Systemen“.

Der globale Ausstoß etwa von Kohlendioxid (CO2) müsste nach dem IPCC-Bericht für das 1,5-Grad-Ziel von 2010 bis 2030 um 45 Prozent fallen und im Jahr 2050 Null erreichen. Der Klimawandel wirke sich bereits auf Menschen, Ökosysteme und Lebensgrundlagen auf der ganzen Welt aus. „Die kommenden Jahre sind vermutlich die wichtigsten in der Menschheitsgeschichte“, warnte die IPCC-Wissenschafterin Debra Roberts.

Der Bericht, der auch eine Grundlage für die nächste UNO-Klimakonferenz im Dezember in Polen sein wird, zeigt einige klare Unterschiede zwischen einer Erwärmung von 1,5 und einer von zwei Grad. Die Begrenzung auf 1,5 Grad könnte die Zahl der Menschen, „die klimabedingten Risiken ausgesetzt und anfällig für Armut sind, bis 2050 um mehrere Hundert Millionen“ verringern. Der Meeresspiegel wird bei 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 um zehn Zentimeter weniger klettern als bei zwei Grad. Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei zwei Grad vermutlich mindestens einmal pro Jahrzehnt.

Der 400-Seiten-Bericht des IPCC stützt sich auf rund 6.000 aktuelle wissenschaftliche Beiträge. Das Pariser Klimaschutzabkommen schreibt vor, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Kosten für das notwendige Umsteuern wären dem Bericht zufolge mit schätzungsweise 2,1 Billionen Euro weltweit allein im Energiesektor erheblich. Ohne ein solches Umsteuern hier und in anderen Sektoren wie Verkehr oder Landwirtschaft wäre jedoch noch mit weit höheren Kosten zu rechnen.

Österreich ist laut Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf „einem sehr gutem Weg“, sagte sie als Reaktion auf den Sonderbericht. Die Klima- und Energiestrategie der Regierung „zeigt den richtigen Weg auf, wie wir diese Reduktion des CO2-Ausstoßes zustande bringen können“, betonte sie im Ö1-Mittagsjournal. „Jetzt ist es wichtig, dass wir auch in die Umsetzung gehen. Das betrifft vor allem die Bereiche Verkehr und Gebäude.“ Der IPCC-Bericht spreche klar an, dass es weltweites Handeln braucht, betonte die Ministerin.

Natürlich müsse auch Österreich seine Aufgaben erfüllen, sagte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Rande einer Pressekonferenz. Der Verkehr müsse dekarbonisiert werden, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen. Bezüglich der Überlegungen, auf manchen Autobahnabschnitten Tempo 140 einzuführen, ließ Hofer angesichts zahlreicher Kritik Gesprächsbereitschaft erkennen: „Es gibt, wenn ich das ganz offen sagen darf, eine Diskussion, ob wir die 140 km/h in Österreich tatsächlich umsetzen oder nicht.“

NEOS, Liste Pilz, Grüne sowie die Umweltschutzorganisationen Greenpeace, WWF und Global 2000 forderten die Bundesregierung in Aussendungen zu mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung auf. Vor allem eine sozial-ökologische Steuerreform wurde eingemahnt.

Vor „dramatischen Folgen für unser Leben auf der Erde“ warnte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Reaktion auf den IPCC-Bericht. „Die internationale Staatengemeinschaft ist gefordert, rasch, entschlossen und gemeinsam alles daran setzen, um wirksame Maßnahmen einzuleiten“, schrieb er auf Twitter. Der eindringliche Appell des Weltklimarates sei „ein klarer Weckruf. Wir müssen mehr tun als bisher.“

( 1038-18, 88 x 70 mm)