Als aus Räumen Flächen wurden: Japonismus im Kunstforum
Wien (APA) - Räume lösen sich auf zu Flächen, Narration entschwindet an die Ränder, Figuren erscheinen von hinten, von unten, als Fragmente ...
Wien (APA) - Räume lösen sich auf zu Flächen, Narration entschwindet an die Ränder, Figuren erscheinen von hinten, von unten, als Fragmente einer dekorativ unterwanderten Perspektive. Errungenschaften der modernen Malerei? Ja und nein. Vor allem Folgen des „Japonismus“ - jener Passion europäischer Maler der 1860er bis 1910er Jahre, der im Bank Austria Kunstforum ab morgen, Mittwoch, eine Schau gewidmet ist.
Die „Faszination Japan“, wie die Ausstellung betitelt ist, fasziniert als Phänomen auch aus der historischen Ferne. Ein Phänomen, das klar konturiert und auch mit freiem Laienauge zu erkennen ist: Das jahrhundertelang in selbst gewählter Isolation lebende Japan öffnete 1854 auf wirtschaftlichen Druck der USA seine Häfen. Man präsentierte sich auf Weltausstellungen - unter anderem in Wien 1873, weshalb die hiesigen Museen über einige der weltweit wichtigsten Sammlungen japanischer Kunst verfügen - und eroberte zunächst das Herz der Sammler. „Die exquisite Machart, die ungewöhnlichen Objekte, das Exotische trafen auf eine große Sehnsucht“, so Kuratorin Evelyn Benesch beim APA-Besuch.
Pariser Damen, die sich im Kimono porträtieren lassen, Geschäftsleute, die mit Holzschnitten aus dem Fernen Osten hohe Profite erzielen. Doch schon bald wurde mehr daraus als ein Japan-Tick der Eliten. Die Künstler, gierig stets nach neuen Inspirationsquellen, machten sich, nach und nach, Prinzipien der japanischen Bildkomposition zu eigen. Rückenansichten, beschnittene Figuren, leere Flächen im Vordergrund, die Auflösung der Zentralperspektive, die Musterung, die zum Raumprinzip wird.
Zentrum des Japonismus ist Paris. Degas stürzt sich auf Techniken zur Verunklärung des Raumgefüges, Gauguin kreiert übereinander geschichtete Landschaften. Van Gogh malt ein Nachtpfauenauge aus allernächster Nähe und schreibt seinem Bruder, wie sehr ihn die Fähigkeit der Japaner, in einem einzigen Grashalm die ganze Welt einzufangen, beeindruckt hat. Toulouse-Lautrec kreiert Plakate für den „Divan Japonais“, in denen Pariser Nachtleben und japanischer Blick ineinandergreifen. Aber auch in Wien stellt ein erstaunter Egon Schiele fest, dass Klimts Schränke vor feinsten japanischen Textilien überquellen. Der Wiener Meister kleidete seine Modelle gerne darin - später verbrannten die Stoffe mit dem Atelier von Emilie Flöge.
Die Ausstellung schlängelt sich von Paris nach München, mit nördlichen Abstechern zu Edvard Munch, den vor allem das Schwarz-Weiß-Prinzip anzog, und Stationen bei der Wiener Werkstätte, die sich nicht zuletzt am japanischen Qualitätshandwerk zu orientieren vornahm, bis zum Blauen Reiter und einem erstaunlichen Paravent-Ensemble von Paul Klee. In höchst didaktischem Gestus veranschaulicht sie dabei wie die Aneignung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt vollständiger, die Bildsprache der modernen Maler eigenständiger, selbstbewusster wird - „bis das Japanische vollständig aufgesogen ist. Und dann ist es auch vorbei“, so Benesch. Das Kapitel Japonismus schließt sich so radikal, wie es begonnen hat. „Ein Picasso sammelte keine japanischen Holzschnitte mehr, sondern afrikanische Masken.“ Ein neuer Kontinent, ein neues Formenvokabular, das gleichsam als künstlerisches Territorium erobert werden kann.
Für den Besucher von heute sind es nicht nur die zahlreichen japanischen Exponate, die auf jeweils mit einem sanften Muster hinterlegten Wänden präsentiert werden, die den Reiz der Ausstellung ausmachen. Das Wechselspiel aus dem Fernen Osten und dem auch schon fernen Paris des ausklingenden 19. Jahrhunderts hat man im Kunstforum die Gegenwart hinzugefügt: Mit Eva Schlegel, Margot Pilz und Stephanie Pflaum haben drei zeitgenössische Künstlerinnen „Reflexionen“ - jeweils recht großformatige Rauminstallationen - zum Thema „Teehaus als Ort der Begegnung“ gestaltet.
(S E R V I C E - „Faszination Japan: Monet. Van Gogh. Klimt“, von 10. Oktober bis 20. Jänner 2019. Täglich 10 bis 19 Uhr, Fr 10 bis 21 Uhr. www.kunstforumwien.at)