Brexit dürfte Handel mit deutschen Bundeswertpapieren nicht behindern
Berlin (APA/Reuters) - Der Handel mit Wertpapieren der Bundesrepublik Deutschland dürfte auch im Falle eines vertraglich nicht klar geregelt...
Berlin (APA/Reuters) - Der Handel mit Wertpapieren der Bundesrepublik Deutschland dürfte auch im Falle eines vertraglich nicht klar geregelten EU-Austritts von Großbritannien funktionieren. „Wir haben den Eindruck, dass sich die Mitglieder unserer Bietergruppe mit Hochdruck auf die Möglichkeit eines No-Deal-Brexit vorbereiten“, sagte der Geschäftsführer der Finanzagentur, Tammo Diemer, am Dienstag.
Der Bietergruppe gehören laut der für das deutsche Schuldenmanagement zuständigen Finanzagentur 36 Banken an, die als Teilnehmer an Anleihe-Auktionen zugelassen sind. „Die Marktpartner mit derzeitigem Sitz in London setzen derzeit alles daran, mit Blick auf den Handel mit Bundeswertpapieren spätestens per Ende März 2019 genauso handlungsfähig zu sein wie heute“, sagte Diemer in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Derzeit werden in London jährlich deutsche Wertpapiere des Bundes in Billionen-Höhe gehandelt. Vor allem asiatische Kunden nutzen den dortigen Finanzplatz, um sich mit den begehrten Anleihen einzudecken. „Die vom Brexit betroffenen Banken und Wertpapierhandelshäuser stellen sich so auf, dass sie Bundeswertpapiere künftig über neue oder bestehende Töchter innerhalb der EU weiterhin uneingeschränkt werden handeln können“, so Diemer. „Der Markt für Bundeswertpapiere wird daher auch im Falle eines harten Brexit funktionieren.“ Im ersten Halbjahr etwa war die französische Tochter der britischen Großbank HSBC der viertgrößte Abnehmer bei Bundes-Emissionen.
Durch das Ende des Anleihen-Kaufprogramms der EZB muss der Bund künftig Investoren voraussichtlich mit höheren Renditen locken. „Wir rechnen mit leicht höheren Zinsen im kommenden Jahr“, sagte Diemer. „Wir haben schon bei der Ankündigung der Reduzierung des Anleihen-Kaufprogramms phasenweise Zinsanstiege gesehen.“ Die Transaktionen waren zuletzt das zentrale Kriseninstrument der Europäischen Zentralbank, um die Konjunktur anzuschieben und die Inflation nach oben zu treiben. Inzwischen läuft die Wirtschaft wieder besser. Daher will die EZB die Käufe zum Jahresende einstellen. Das Gesamtvolumen wird dann voraussichtlich rund 2,6 Billionen Euro betragen.
Allerdings will die Euro-Notenbank danach immer noch Geld, das sie aus Rückzahlungen der Schuldscheine bekommt, neu in Staatsanleihen stecken. „Da wir in den kommenden zwei Jahren noch von einem beachtlichen Wiederanlagevolumen der EZB ausgehen können, dürfte die Zinsentwicklung auf absehbare Zeit insgesamt moderat ausfallen“, erklärte Diemer. Die richtungsweisende zehnjährige Bundesanleihe rentiert derzeit mit rund 0,5 Prozent. Noch im Mai waren es zeitweise weniger als 0,3 Prozent. Viele Investoren wie etwa Versicherer müssen Bundeswertpapiere halten, da sie von allen großen Rating-Agenturen als nahezu ausfallsicher eingestuft werden. Die hohe Nachfrage drückt die Zinsen.
Vorerst wenig Hoffnung macht die Finanzagentur den Investoren auf neue Instrumente - etwa Bundesanleihen mit längeren Laufzeiten. „Da der Bund seit 2014 ohne Neuverschuldung im Bundeshaushalt auskommt und entsprechend kein zusätzlicher Finanzierungsbedarf entstanden ist, orientiert sich das jährliche Emissionsvolumen des Bundes seither an den umlaufenden alten Schulden, was den Spielraum für neue Produkte per se einengt“, begründete Diemer.
„De facto hätte die Einführung einer neuen Laufzeit vor den gegebenen Rahmenbedingungen eine Volumensreduktion in bereits bestehenden Laufzeitklassen zur Folge.“ Deshalb müsse es einen guten Grund dafür geben, ein neues Segment zu eröffnen. „Bundesanleihen mit 50-jähriger Laufzeit ergeben für uns im Portfoliokontext aus Kosten- und Risikogründen derzeit keinen Sinn, da sie sehr stark mit 30-jährigen Bundesanleihen korrelieren. Für das kommende Jahr sind für uns weder eine zwölf- noch eine 15- oder 50-jährige Anleihe ein Thema.“
Für das nächste Jahrzehnt hält sich Diemer alle Möglichkeiten offen. „Für immer und ewig kann ich die Emission neuer Laufzeitklassen nicht ausschließen. Wir sind daran gehalten, die günstigsten Finanzierungsbedingungen zu nutzen, sollte ein anderes Produkt diese bieten.“ Das gelte auch für Anleihen in Fremdwährungen, etwa in US-Dollar. „Wenn sich ein Fenster öffnen sollte, in dem die Emission in fremden Währungen günstiger für den Bund ist, dann nutzen wir das auch.“ 2005 und 2009 wurden zuletzt zwei Dollar-Anleihen begeben.